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Dr. Wolfgang Feist © Schneider

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Ein Artikel von Administrator | 15.03.2001 - 00:00
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Dr. Wolfgang Feist © Schneider

Man muss schon ein wenig verrückt sein, um sich ein Passivhaus zu bauen”, so das augenzwinkernde Resumee eines Bauherrn, der während des Passivhaus-Tages in Böblingen über seine Wohn-Erfahrungen berichtet hat. Vom 16. bis 17. Februar haben sich 470 Archiktekten, Planer, Ingenieure, Holzbauer und Haustechniker zusammengefunden, um über realisierte Projekte, Messergebnisse und technische Neuerungen informiert zu werden.100%-ige Steigerung. Durch die gezielte Nutzung von Sonneneinstrahlung und der Abwärme von Bewohnern, technischer Geräte und Lichtquellen lässt sich der Energiebedarf eines Hauses um den Faktor 10 verringern. Um unter den Begriff „Passivhaus” zu fallen, sollte der Jahresheizwärmebedarf unter 15 kW/m²J liegen und die Be- und Entlüftung technisch erfolgen. Im vergangenen Jahr konnte bei der Zahl der realisierten Passivhäuser in Deutschland eine Steigerung um 100% beobachtet werden, so Dr. Wolfgang Feist vom Passivhaus Institut, Darmstadt/D.Alle Arten möglich. Heute lässt sich jeder Neubau auch als Passivhaus projektieren. Entscheidend ist die baulich-technische Qualität: hochwärmedämmende und luftdichte Hülle, sehr gute Fenster und eine hocheffiziente Wärmerückgewinnung aus der Abluft, so Feist. An mehreren Passivhaussiedlungen werden derzeit Untersuchungen durchgeführt. So werden in Wiesbaden/D verschiedene Wohnungslüftungskonzepte im Vergleich zu 24 Niedrigenergiehäusern mit feuchtegeregelten Abluftanlagen am gleichen Standort beobachtet.
Stadtplanung und Entwurf
weitgehende Südausrichtung
geringe Verschattung
günstiges Außenflächen- Volumen-Verhältnis (A/V)
kompakte Bauform
klare Abgrenzung des beheizten zum kalten Bereich
klare Zuordnung von Zu-, Überström- und Abluftbereichen
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Roland Caps © Schneider

Weitere Untersuchungen. In Neuenburg/D werden erstmals ausschließlich Wärmepumpen-Kompaktgeräte zur Wärmeversorgung mit vielversprechendem Ergebnis eingesetzt. In der „Cepheus”-Reihensiedlung in Hannover-Kronsberg/D wurde ein ausschließlich wohnungsweises Regelkonzept zur Frischluftheizung, gespeist aus einer innerhalb der Häuser verlegten Nahwärmeverteilung, realisiert.
Zudem führt man nach Angaben von Feist Messungen an Sozialwohnungen und einem Fabrikgebäude durch. Aus stadtplaner- ischen Gründen musste ein weiteres Gebäude errichtet werden, dessen Fassade nicht nach Süden ausgerichtet ist, Messergebnisse liegen hier jedoch noch nicht vor.Passivhaus-Komponenten. Inzwischen gibt es viele Bauteile, welche die für Passivhäuser vorausgesetzten Eigenschaften wie Wärmebrückenfreiheit und Luftdichtheit aufweisen. So haben auch die Passivhaus geeigneten Holztafelbau-Elemente im vergangenen Jahr in Deutschland stark zugenommen. Doppel-T-Träger aus Holz sind inzwischen speziell für den Passivhaus-Markt in den Details weiterentwickelt und verbessert worden. Optimiert wurden nicht nur verschiedenste Wärmedämmverbundsysteme, sondern auch Vakuum-Dämmpaneele.Vakuumdämmung. Evakuierte Dämmplatten, die bisher in der Kühl- und Gefriertechnik Anwendung fanden, wurden von Roland Caps am Bayerischen Zentrum für angewandte Energieforschung auf die Tauglichkeit im Hausbau untersucht. Dazu wurden mikroporöse SIO2-Pulver zu Dämmkernen verpresst. Die Wärmeleitfähigkeit beträgt im evakuierten Zustand 0,004 W/mK, die Pulverplatten sind nicht brennbar und haben eine Dichte von 160 kg/m³.
Zur Montage wurde eine vakuumdichte Aluminiumverbundfolie auf die Maueroberfläche geklebt und die Platten mittels einer Schienenkonstruktion ange- bracht. Bei einem Preis von 100 bis 150 DM/m² und einer Dämmdicke von 4 bis 6 cm bietet sich ein Einsatz nur bei denkmalgeschützten Häusern mit wenig Platz an.Passivhaus geeignete Fenster. Über 20 Hersteller bieten für Passivhäuser geeignete Fenster an. Neben Pfosten-/Riegel-Fassaden und mehreren Holzfenstern gibt es ein großes Angebot an PVC-Fenstern und sogar Metall-Fensterrahmen mit Vakuum-Dämmung im Rahmen. Neu auf dem Markt sind Systeme, die allein auf der Basis von gedämmten Vorsatzschalen arbeiten.
Selbstverständlich können und dürfen in Passivhäusern immer dem Wunsch der Nutzer entsprechend Fenster geöffnet werden. Entscheidend ist allein, ob der dadurch bedingte Lüftungswärmeverlust einen Einfluss auf den Jahresheizwärmebedarf hat.
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Burkhard Schulze Darup © Schneider

Günstiger oder teurer mit Passivhausstandard? Wird ein üblicher Holzquerschnitt von etwa 10/16 cm durch ein schlankes Profil (z. B. TJI-Träger) ersetzt und zudem durch die erhöhte Tragfähigkeit dieses Bau- teils die Abtragung durch gesonderte Träger (z. B. Mittelpfette/ Kehlbalken beim Dachstuhl) eingespart, so kann der Aufwand für die Zimmermannskonstruktion gegenüber der Referenzvariante sinken, so Burkhard Schulze Darup, Architekt in Nürn- berg/D. Die erhöhten Kosten für die Dämmung halten sich bei Preisen von 120 bis 150 DM/m³ in sehr günstigen Grenzen.
Die primärenergetische Amortisationszeit von Passivhauskomponenten beträgt 1,5 Jahre und die Mehrkosten für ein Passivhaus gegenüber einem Standardgebäude belaufen sich auf 10 bis 15% der Baukosten.Realitätsferne DIN. Feist zweifelt die Randbedingungen für den Wärmeschutznachweis nach DIN 4108/Teil 6 an. Die Annahme einer durchschnittlichen Raumtemperatur von 19 °C sei nicht gerechtfertigt, Tests hätten im Winter Raumtemperaturen über 20°C ergeben. Mit 4 W/m² seien die inneren Wärmequellen als zu hoch und der Reduktionsfaktor für solare Gewinne als zu optimistisch angesetzt. All dies ergebe zu geringe Jahresheizwärmebedarfswerte. Realitätsnaher sieht Feist die Rechenmethode nach PHPP (Passivhaus- Projektierungs-Paket) an.
Passivhausgerechte Fenster
Verglasung mit uv _ 0,7 W/m²K
Wärmebrücken minimierter Randverbund der Verglasung
Rahmen mit geringem Fensterrandverbundkoeffizienten
hoher Glaseinstand
Wärmebrücken reduzierter Einbau durch Rahmenüberdeckung mit Dämmung
Energiedurchlassgrad g > 50%, v. a. bei Südfenstern
großflächige Fenster
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Prof. Dr.-Ing. Rolf-Peter Strauß © Schneider

Neue Energieeinsparverordnung. Die Wämeschutzverordnung wird voraussichtlich im Frühjahr 2002 von der Energiesparverordnung (EnEV) abgelöst und begrenzt anstelle des Jahres-Heizwärmebedarfs nun den Jahres-Primärenergiebedarf von Gebäuden. Prof. Dr.-Ing. Rolf-Peter Strauß hat anhand einer Beispielrechnung nachgewiesen, dass Passivhäuser die Anforderungen der neuen EnEV leicht erfüllen, sofern sie mit einer für diesen Haustyp empfohlenen Heiz- und Lüftungstechnik versehen sind. Um zu möglichst genauen Ergebnissen zu kommen, empfiehlt es sich, die von den Herstellern angegebenen Kennwerte für die Berechnung heranzuziehen.
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Dr.-Ing. Hans-Jürgen Gaudig © Schneider

Eigenständige Wohnungen. Untersuchungen an einer Modernisierungsmaßnahme mit semi-dezentraler Be- und Entlüftung gekoppelt an eine Wärmerückgewinnung, wurden von Dr.-Ing. Hans-Jürgen Gaudig vorge- stellt. Hierbei erhielt jede Woh- nung einen Wärmetauscher, in dem die kalte Frischluft der warmen Abluft ca. 90% der Wärme entzieht. Eine Wirtschaftlichkeitsberechnung ergab Kosten von 0,25 DM je eingesparter KWh Heizwärme. Dies liegt auf dem gleichen Level wie eine günstige thermische Solaranlage. Mit einer geeigneten staatlichen Förderung bleiben bei einer 63 m²-Wohnung Mehrkosten von 800 DM, die durch eine Verbesserung des Wohnwertes aufgewogen werden.
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Dipl.-Ing. Norbert Stärz © Schneider

Planung von Lüftungsanlagen. Für den optimalen Einsatz von Lüftungsanlagen müssen bestimmte Anforderungen eingehalten werden, so Dipl.-Ing. Norbert Stärz, Pfungstadt/D. Der Volumenstrom sollte so groß als nötig und so klein als möglich sein. Eine Anordnung des Lüf- tungsgerätes innerhalb der thermischen Gebäudehülle ist empfehlenswert. Die Ansaughöhe der Außenluft sollte mindestens 1,5 m betragen, bei Dachgauben ist ein Abstand von 0,5 m von der Dachfläche einzuhalten, Fort- und Zuluft sollten 1,5 m voneinander getrennt sein und in die gleiche Windrichtung zeigen. Der Zuluftfilter sollte F7-dimensioniert sein.
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Prof. Dipl. Arch. armin Binz © Schneider

Die 2000-Watt-Gesellschaft. Im Moment werden von einem Schweizer 5000 bis 6000 Watt Energie pro Jahr verbraucht. In den USA sind es sogar 10.000 Watt, die nicht nur zum Heizen, sondern auch zum Kühlen verwendet werden, so Prof. Dipl. Arch. Armin Binz, Biel/CH. Zum Vergleich werden in Äthiopien 500 Watt benötigt. Das Ziel der nächsten Jahre sollte auf dem gleichen Niveau wie 1960 liegen: 2000 Watt pro Einwohner und Jahr, davon nur 500 W aus nichterneuerbare Energien, der Rest sollte aus erneuerbaren Ressourcen, wie z. B. Sonnenenergie bestritten werden.
Lebenslinien eines Gebäudes. Binz stellte eine Untersuchung vor, bei der der Primärenergiebedarf eines Mehrfamilien- hauses untersucht wurde. Variante 1 bezeichnet er als „Verlotterungsstrategie”. Dabei wird nichts an dem Gebäude verändert, man benötigt somit auch keine Energie für Umbauarbeiten, der Primärenergiebedarf für Heizung, Warmwasser und Haushaltsgeräte beträgt nach 25 Jahren annähernd 20 GJ/m². Durch eine energietechnische Modernisierung ließe sich die Energiebedarfskurve deutlich abflachen.
„Große Sünden im Bezug auf Nachhaltigkeit sollte man vermeiden, aber ohne kleine Sünden macht es auch keinen Spaß.”
Armin Binz
Für eine Passivhaussanierung benötigt man anfangs einen höheren Energiebedarf, aber schon nach 7 Jahren ist der Gesamtenergiebedarf geringer als bei der konventionellen Sanierung. Ein kompletter Abriss und Neubau im Passivhausstil hätte nach 25 Jahren den gleichen Primärenergiebedarf wie die Sanierung im herkömmlichen Sinn: 10 GJ/m². Eine positive Energiebilanz lässt sich durch einen nachhaltigen Bau mit solarer Energiegewinnung und Rückspeisung erzielen.
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Dipl.-Pol. Klaus Michael © Schneider

Qualitätssicherung. „Am Anfang achten wir auf Aspekte der Fundamentierung”, referierte Dipl.-Pol. Klaus Michael vom Niedrig-Energie-Institut Detmold - dabei vor allem auf den unterseitigen Wärmeschutz und die wärmenbrückenfreie Montage des Rohbaus. In der Mitte der Bauzeit steht der richtige Einbau der Dämmschicht, Türen und Fenster im Vordergrund. Später folgt das Aufspüren von Leitbau- und Luftdichtigkeitsproblemen. Im letzten Drittel müssen die Installationen und die Lüftungstechnik überprüft werden.
Zum geeigneten Zeitpunkt wird die Luftdichtigkeitsprüfung in Zusammenarbeit mit dem Prüfinstitut durchgeführt und nach Abschluss der Bauarbeiten bei der Justierung der Lüftungsanlage mit Rat und Tat zur Seite gestanden.
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Dipl.-Ing Gerrit Horn © Schneider

Passivhaus-Holzbau. Ein nicht unerheblicher Teil der Passivhäuser wurde in den vergangenen Jahren in Holz errichtet. Dabei verwendet fast jeder Her- steller ein neues System. Zimmermeister Dipl.-Ing. Gerrit Horn, Kaiserslautern/D, versuchte auf dem Passivhaus-Tag Ordnung in die bestehenden Bauarten zu bringen. Seiner Berech- nung nach belaufen sich die Mehrkosten für die Dämmung eines Gebäudes, das mit einem ungünstigen A/V-Verhältnis errichtet wird, auf 13 DM pro m², im Gegensatz zu einem Haus mit der gleichen Wohnfläche.CS
Gefahrenpunkte für Undichtigkeit nicht verputzte Flächen und Durchdringungen
zwischen massiven Bauteilen und Leichtbaukonstruktionen
Durchdringungen bei Holzkonstruktionen
Fensteranschlüsse zum Rohbau
Elektrodosen und Leerrohre zu unbeheizten Bereichen
Sanitär-, Heizungs- und Lüftungsleitungen