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Michael Hladik, Sachverständiger für Putz- und Wärmedämm-Verbundsysteme: „Architektur kann aussehen, wie sie will, sie muss nur funktionieren.” © Forstassessor Peter Liptay

Funktionalität über Ästhetik

Ein Artikel von Forstassessor Peter Liptay | 06.10.2008 - 14:26
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Michael Hladik, Sachverständiger für Putz- und Wärmedämm-Verbundsysteme: „Architektur kann aussehen, wie sie will, sie muss nur funktionieren.“ © Forstassessor Peter Liptay

Durch die Möglichkeit, bei bestehenden Bauwerken eine wärmebrückenfreie Dämmschicht auf die leicht zugängliche Außenwandoberfläche anzubringen, sind Wärmedämm-Verbundsysteme (WDVS) im Holzbau in den Blickpunkt baurechtlicher Bestimmungen gerückt”, erklärte DI Wolfgang Thoma, Referatsleiter Bauphysik beim Österreichischen Institut für Bautechnik, den 130 Besuchern der von der Holzforschung Austria organisierten Holz_Haus_Tage. Um eine Europäisch Technische Zulassung (ETZ) und damit die CE-Kennzeichnung für WDVS aus Polystyrol, Polyurethan, Mineral- oder Holzwolle und Holzfaser-Dämmstoffen auf den im Holzbau üblichen Untergründen zu erhalten, ist seit Oktober 2007 das Prüfverfahren CUAP der europäischen Genehmigungsstelle EOTA erforderlich.

Schäden an Putzsystemen auf Holzweichfaser-Dämmplatten zeigte der Sachverständige Michael Hladik. Problematisch beim Holzhaus sei, dass die Holzweichfaser-Dämmung meist von einem anderen Gewerbe ausgeführt werde, als die Putzarbeiten. Wichtig sei, auf eine möglichst kurze Zeitspanne zwischen der Montage der Holzweichfaser-Platten und dem Putzauftrag zu achten. Hladik präsentierte mehrere Schadobjekte, die sich meist in der Nähe größerer stehender oder fließender Gewässer befanden. „Architektur kann aussehen, wie sie will, sie muss nur funktionieren”, sagte er und verwies auf eine neue WDVS-Norm aus der Schweiz als gutes Beispiel. Dort ist seit Mai festgelegt, dass bei einer verputzten Außenwärmedämmung Funktionalität Vorrang vor Ästhetik haben soll. „WDVS ist ein Null-Fehler-System bei Planung, Ausführung und Systemkomponenten”, mahnte Hladik.

Sanieren zweite Chance der Architektur

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So nicht mehr: Die Zeiten von „weißen Platten an die Wand kleben“ sind vorbei, sagte Werner Dittrich auf den Holz_Haus_Tagen zum Thema Fassade © DI Werner Dittrich

Potenziale im Fertighausbau stellte DI Werner Dittrich, Geschäftsführer von O. Lux, Roth/DE, vor. Weg vom reinen Fertighausbau lautet das Motto seines Unternehmens. „Der Fertighausbau sollte sich mehr mit An-, Auf- und Zubauten sowie Sanierungen beschäftigen”, empfahl er und belegte dies mit Statistiken. „Das Gros der Wohngebäude in Deutschland stammt aus der Zeit zwischen 1949 und 1978, als noch niemand über Energieeinsparung geredet hat.” Zwei Drittel der Investitionen im Bau gehen heute in Sanierungen, nur noch ein Drittel fließen in Neubauten. „Hier liegt die Chance für den modernen Holz- und Holzfassadenbau”, sagte Dittrich. „Forschungen zeigen, dass das Thema Fassade auch beim Bauen im Bestand aufgearbeitet werden muss. Die Zeiten, als man nur weiße Platten an die Wand klebte, sind vorbei. Wir reden über dampfdiffusionsoffene Wandaufbauten und versuchen durch Vorfertigung, die Beeinträchtigung der Bewohner auf ein Minimum zu reduzieren.”

Schadstoffe in Innenräumen

„Die Menschen verbringen 90 bis 95 % ihrer Lebenszeit in Räumen”, berichtete DI Peter Tappler vom Österreichischen Institut für Baubiologie und -ökologie. Die immer effizientere Dämmung von Gebäuden habe deutlich reduzierte Luftwechsel und höhere Schadstoffkonzentrationen mit sich gebracht. Die Wirkung von Schadstoffen wie Tabakrauch, Radon oder Formaldehyd senke die Leistungsfähigkeit, Wohlbefinden und Gesundheit. In den meisten Fällen seien Spanplatten die Hauptquelle des in Innenräumen nachgewiesenen For­mal­dehyds. In stark be­legten Räumen wie Schulklassen oder Vortragsräumen könne nur eine mechanische Lüftungsanlage den not­wendigen Luftvolumenstrom gewährleisten.

„Auch bei der Neuplanung von Einfamilienhäusern empfiehlt sich die Berücksichtigung von Wohnungslüftungs-Systemen mit Wärmerückgewinnung. Dies gilt besonders für Niedrigenergie- und Passivhäuser”, sagte Tappler.

Architektur versus Technik

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DI Klaus Peter Schober präsentierte das Forschungsprojekt Architektur versus Technik – Sockel- und Fensteranschluss der Holzforschung Austria © Forstassessor Peter Liptay

„Der Holzhausbau erlebt durch eine gesteigerte Nachfrage und allseitige Akzeptanz eine rasante Entwicklung”, erklärte DI Klaus Peter Schober, Abteilungsleiter der Holzforschung Austria. „In einigen Bereichen können die architektonischen Forderungen mit Standardlösungen nicht realisiert werden.” Davon besonders betroffen seien Sockel- und Fensteranschluss. 2006 wurde das Forschungsprojekt Architektur versus Technik an der Holzforschung Austria initiiert. Errichtet wurden zwei Forschungshäuser, an denen das Diffusionsverhalten und die Ausführungsqualität von 16 unterschiedlichen Sockelanschlussdetails beurteilt wurden.

„Wir kamen zum Ergebnis, das ein geometrischer Höhenunterschied (Stufe) zwischen Kellerdecke/Fundamentplatte und angrenzendem Erdreich von mindestens 10 cm beziehungsweise angrenzender Terrasse von mindestens 5 cm unbedingt erforderlich ist.” Die Holzforschung Austria erarbeitete elf Leitdetails als Prinzipbeispiele für den Sockelanschlussbereich. „Dem konstruktiven Feuchteschutz muss besonderer Stellenwert gewidmet werden, denn kaum ein anderer Holzbauteil ist schwieriger zu sanieren als eine zerstörte Schwellenkonstruktion im Holzhausbau”, erzählte Schober. „Wir sitzen auf einem Pulverfass, wenn größere Schäden am Sockel auftreten.”