Meran_Kurhaus_Ausschnitt.jpg

Veranstaltungsort Kurhaus Meran: Oben tanzen die Markt-, unten konferieren die Geschäftsfrauen © Kathrin Lanz

Forum-Holzbau

Frauen, die nicht Süßholz raspeln

Ein Artikel von Kathrin Lanz | 12.07.2017 - 10:13
Meran_Eßig.jpg

Auch die Verringerung des Flächenbedarfs ist für die Nachhaltigkeitsqualität eines Gebäudes ausschlaggebend.“ Energieforscherin Natalie Eßig © Kathrin Lanz

1960 verfügte in Deutschland jede Person im Durchschnitt über 20 m2 Wohnfläche, 2014 waren es 45 m2. „Dass sich der Wohnflächenbedarf pro Person in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren mehr als verdoppelt hat, zeigt den Widerspruch in der heutigen Nachhaltigkeitsdebatte auf“, sagte
Dr. Natalie Eßig von der Hochschule München. Denn obwohl der Raumwärmebedarf ständig sinkt und die Energieeffizienz von Gebäuden stets steigt, blieb der Energiebedarf pro Kopf in den vergangenen Jahrzehnten aufgrund der zunehmenden Wohnfläche beinahe gleich. „Deshalb ist auch die Verringerung des Flächenbedarfs für die Nachhaltigkeitsqualität eines Gebäudes ausschlaggebend.“

Diesem und den Themen Lebenszykluskosten und Vermeidung von Schadstoffen widmete sich Eßig als Prokuristin des Bau-Instituts für Ressourceneffizientes und Nachhaltiges Bauen (BiRN). Diese Zertifizierungsstelle stellt das Bewertungssystem Nachhaltiger Kleinwohnhausbau (BNK) zur Verfügung. Das BNK-Zertifikat ist mit Einführung 2016 ein relativ junges System, das sich langsam am Markt etabliert.

Nachhaltigkeit mit System

Meran_Jauk.jpg

„Das Parlaments-Ausweichquartier im Nachhinein als Schule oder Kindergarten zu nutzen, gilt als Option.“ Baumeisterin Renate Jauk © Kathrin Lanz

Ein in Österreich prominentes Beispiel eines nachhaltigen Baukastensystems stellte die nächste Rednerin vor. Baumeisterin Renate Jauk präsentierte das Ausweichquartier des Parlaments, das von Lukas Lang Building Technologies (LLBT) stammt. Der Bau vereint die Vorteile der Vorfertigung und des Holzskelettbaus in sich. Im April 2017 übergab man rund 11.000 m2 schlüsselfertig an den Bauherrn, im Moment läuft die Übersiedlung.

„Das Ausweichquartier im Nachhinein als Schule oder Kindergarten zu nutzen, gilt als Option“, erzählte Jauk. Neben Bürogebäuden plant das 2008 gegründete und im Mehrheitseigentum der Haselsteiner Familien-Privatstiftung befindliche Unternehmen mit dem modularen Baukasten aber auch Seminarhotels oder Einfamilienhäuser. Aktuellstes Projekt: eine Wohnhaussiedlung namens „Giardino“ in Oberwaltersdorf. In der Mitte der Villen befindet sich ein Schwimmteich.

Digitales Werkzeug verändert Arbeitsprozess

Meran_Nyffeler.jpg

„Dass die Entscheidung pro Digitalisierung den Arbeitsablauf verändert, darüber muss man sich vorher bewusst sein.“ Architektin Anne Nyffeler © Kathrin Lanz

In einem Ingenieurbüro, das jüngst mit einem ganz anderen Projekt – dem Gipfelgebäude Chäserrugg – von sich reden machte, ist die nächste Vortragende beschäftigt. Bei Pirmin Jung in Rain/CH verantwortet Anne Nyffeler die Weiterentwicklung der Digitalisierungsprozesse. Die junge Architektin gab zu bedenken, dass die Weiterentwicklung digitaler Werkzeuge und Methoden laufend neue Voraussetzungen für den Arbeitsalltag schaffe. „Bei Digitalisierung geht es nicht nur um die Technologie. Man muss sich darüber bewusst sein, dass sich der Arbeitsablauf grundlegend verändert“, sprach Nyffeler aus Erfahrung.

3D-Planung erleichtert Kommunikation

Meran_Hell.jpg

„Der Holzbau gibt uns maximale Planungssicherheit.“ Architektin Ulla Hell © Kathrin Lanz

Dass man mit der Einführung durchgängiger digitaler Methoden eine deutliche Effizienzsteigerung erzielen kann, bestätigte darüber hinaus auch Ulla Hell, Geschäftsführerin des Architekturbüros Plasma Studio, Sexten/IT. „Bei uns im Büro herrscht ein großer Austausch mit den Holzbauern. Das 3D-Modell geht mehrmals hin und her“, erzählte die Architektin. Das war nicht immer so. Der Planungsprozess hat sich verändert. „Als wir vor Jahren noch ohne richtige Planungssoftware arbeiteten, mussten wir bei jeder Änderung wieder von vorne beginnen“, so Hell zum Thema Effizienz.

Vorzeigebau im Industriegebiet

Meran_Hobmeier.jpg

„Für mich war von Anfang an klar, dass es ein Holzhotel werden muss.“ Bauherrin Monika Hobmeier © Kathrin Lanz

Von der Sichtweise des Planers führte der nächste Vortrag das Publikum zur Herangehensweise der Bauherrschaft. Monika Hobmeier, die sich von Anfang an ein Holzhotel in den Kopf gesetzt hat, betreibt heute ein solches im Industriegebiet von Pasdorf/DE nahe München. Jenes vereint das Material Holz mit einem Urban Gardening-Konzept und sozialer Mitarbeiterführung. 52 Doppelzimmer in dem dreistöckigen Vorzeigebau „Bader Hotel“ lohnen wohl eine Ausfahrt ins Industriegebiet.

Und die Reise nach Meran rechtfertigt immer wieder die Dichte der Vorträge sowie deren Vielfalt – wenn es dann auch nächstes Jahr wieder heißt: Holzbau-Forum Frauen.