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Die Seilexperten Nikolaus Nemesthothy, Johannes Loschek und Karl Stampfer erläuterten die Vor- und Nachteile der Kunststoffseile © Heidelbauer

Leichter, schneller und sicherer

Ein Artikel von DI Martin Heidelbauer | 16.11.2011 - 11:30
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Die Seilexperten Nikolaus Nemesthothy, Johannes Loschek und Karl Stampfer erläuterten die Vor- und Nachteile der Kunststoffseile © Heidelbauer

Kunststoffseile sind eine der wesentlichsten Entwicklungen, um die Waldarbeit zu erleichtern und sicherer zu machen, vergleichbar mit der Motorsäge“, meinte DI Nikolaus Nemesthothy, FAST Ort des BFW, anlässlich eines Seminar am 11. November in der FAST Ossiach des BFW. Laut einer Studie aus Oregon mit 2365 untersuchten Arbeitsunfähigkeits-Schadensfällen von Holzerntearbeitern wurden 23% direkt durch Stahlseileinsatz verursacht. Die Kunststoffseile bestehen zumeist aus der Dyneema-Faser, die eine sehr gute UV-Stabilität, hohe Säure- und Laugenbeständigkeit sowie Unempfindlichkeit gegen Öle und Fette besitzt. Außerdem nimmt das Material kein Wasser auf, weist eine Dehnung von nur 0,8 bis 1,2% auf und hat eine hohe Festigkeit in Längsrichtung. Dagegen hat die Faser eine geringe Scherfestigkeit in Querrichtung. Die Erweichungstemperatur beginnt ab 120° C und die Schmelztemperatur ab 145° C. Das spezifische Gewicht beträgt 0,97 g/cm3. Bei der Herstellung werden zwölf Litzen aus geflochtenen Garnen zum Spezialseil verflochten. Man unterscheidet zwei Typen von Kunststoffseilen für forstliche Seilwinden: mit und ohne Mantel.

Fehlende Lebensdauer-Angaben

Bei der Arbeit mit Faserseilen sollten Grate und scharfe Kanten vermieden werden. Vorteilhaft sind vierseitige Einlaufrollen und große Umlenkradien. Das Kunststoffseil wird solange benutzt bis es reißt. Als gefährlich erweist sich der Schleudereffekt, wenn Anschlagmittel brechen und wie ein Geschoß weggeschleudert werden. Derzeit gibt es noch keine Ablegekriterien und Lebensdauer-Angaben für die Kunststoffseile. „Als mögliche Indikatoren für die Ablagereife gelten die Oberflächenveränderungen und der Faserverlust. Im Forschungsprojekt „Ropesecurity 2+“ wird versucht, einen gesetzmäßigen Zusammenhang zwischen messbarem Faserverlust und Zugkraftminderung zu finden“, informierte Nemesthothy. Erste Versuche zeigten, dass die Bruchkraft mit dem geschätzten Querschnittsverlust überproportional abnimmt. Oberflächenveränderungen sind unter den rauen Bedingungen im Forst nicht aussagekräftig genug. Ziel ist es, eine praktikable, anwendertaugliche Messmethode zur Feststellung des Faserverlustes mit einfachen Geräten zu entwickeln.„Zu den Vorteilen des Kunststoffseiles zählen das geringe Gewicht, die verminderte Verletzungsgefahr, das angenehme Handling und gute Spulverhalten. Nachteilig ist der hohe Anschaffungspreis“, erklärte der Seilexperte.

Montagezeit-Einsparung von 18 Stunden/J

„In Österreich werden 3,5 Mio. fm am Tragseil zur Forststraße gebracht. Dies entspricht 20 bis 25% des jährlichen Gesamteinschlags. Damit ist Österreich Europameister“, erläuterte Ing. Johannes Loschek, Mayr-Melnhof-Saurau, Forsttechnik. Seit 2005 setzt er und sein Forstteam Kunststoff-Abspannseile von Teufelberger, Wels, für die Seilbringung ein. Hauptvorteil ist das um 80% geringere Gewicht im Vergleich zum Stahlseil. „Neben der einfachen Handhabung kann es auch besser vorgespannt werden. Trotz des mantelbedingten größeren Seildurchmessers gibt es beim Seilfassungsvermögen der Trommeln keine Probleme“, schilderte Loschek. Bei Verladearbeiten muss genau auf das Seil geachtet werden. Markierungen am Seil können hier hilfreich sein. Auch im Winter verursachen Schnee und Eis keine Schwierigkeiten beim Seileinsatz. Durch die Verwendung von Kunststoffseilen ergab sich eine Montagezeit-Einsparung von 0,25 Stunden pro Aufstellung (Auf- und Abbau). Weiters konnten die Rüsttätigkeiten mit einem Arbeiter weniger erledigt werden. „Mittels Kalkulationstool wurde eine jährliche Montagezeit-Einsparung von 18 Stunden errechnet. Nutzt man die Zeit für Holzbringungen, könnten zusätzlich 252 fm/J geseilt werden. Dies würde einen zusätzlichen Deckungsbeitrag von 5544 € bedeuten. Zudem bringen die weniger oder anderweitig eingesetzten Arbeiter eine Lohneinsparung von 4032 €. Der jährliche Produktivitätsgewinn beliefe sich auf 9576 €“, skizzierte Loschek. Aus Haftungs- und Dienstnehmerschutzgründen empfiehlt er die Verwendung von Kunststoffseilen mit Mantel. Als nachteilig bezeichnet er das Spleißen von bemantelten Seilen.

Amortisation nach 1 Jahr möglich

„In einer Boku-Studie wurden die ergonomischen und ökologischen Aspekte des Teufelberger-Kunststoffseiles im Vergleich zu einem äquivalenten Stahlseil untersucht. Bei der Bergauf-Abspannung von Seilgeräten führte die Faserseil-Anwendung im Praxisversuch zu einer Zeiteinsparung von 1,76 Minuten pro Abspannseil bei einer Distanz von 35 m und einer Neigung von 35%. Überdies führte das leichtere Kunststoffseil bei einer Abspanndistanz von 35 m zu einer Verringerung des Arbeitspulses um 30%“, fasste Univ.-Prof. Dr. Karl Stampfer, Institut für Forsttechnik, Universität für Bodenkultur Wien, die Untersuchungsergebnisse zusammen. Während beim Ausziehen des Stahlseiles zwei Mann benötigt werden, genügt beim Faserseil nur ein Mann. Je nach betrieblichen Arbeitsabläufen, Personalausstattung und Anzahl der Bergaufrückungen pro Jahr kann die Amortisation der Kunststoffseil-Anschaffung innerhalb von ein bis vier Jahren erfolgen. So amortisierte sich das Teufelberger-Seil Stratos Anchor bei Mayr-Melnhof bereits nach 1,21 Jahren, da im Aufzeichnungsjahr 31 Bergaufseilungen durchgeführt wurden. „Die Vorteile des Kunststoffseiles liegen vor allem im ergonomischen und sicherheitstechnischen Bereich. Diese Vorzüge können aber nur realisiert werden, wenn man die Seilmannschaft gut auf die Umstellung vorbereitet“, analysierte Stampfer.