Trockenheit, Brände und Windwürfe zeichnen gemeinsam mit verheerenden Käferkalamitäten ein erschreckendes Bild. Riesige tote Waldflächen in Thüringen, Tschechien oder Oberkärnten lassen den Klimawandel in Mitteleuropa unmittelbar sichtbar werden.
Die Folgen für die heimische Forst- und Holzwirtschaft sind gravierend. Seit Jahrzehnten etablierte Leitbaumarten wie die Fichte, Buche oder Kiefer geraten zunehmend unter Druck oder verschwinden ganz aus vielen Regionen, in denen sie vor wenigen Jahrzehnten noch das Landschaftsbild dominierten.
Doch was bedeutet das für die Holz verarbeitende Industrie und wie werden unsere Wälder in Zukunft aussehen? Diesen Fragen stellte sich ein internationales Expertenteam der von der IUFRO und Mondi neu gegründeten Organisation Teaming up 4 Forests. Erste Ergebnisse und Handlungsempfehlungen für Wirtschaft, Forst und Politik finden sich in einer Synthesestudie, die nun in Wien der Öffentlichkeit präsentiert wurde.
Verschwindet die Fichte aus Mitteleuropa?
„Nein“, sagt Dr. Florian Kraxner, Forst- und Klimaexperte vom IIASA (International Institute for Applied Systems Analysis) und Mitautor der Studie. „Doch es wird sie mit Sicherheit nicht mehr in diesem Ausmaß geben, wie wir es uns vielleicht erhoffen würden.“
Die Studie des IUFRO rechnet vor: Bis zum Ende des Jahrhunderts wird die Habitatsfläche der Fichte in Mitteleuropa um bis zu 50 % schrumpfen. Die Forst- und Holzwirtschaft ist somit gezwungen, sich nach geeigneten und klimaresistenten Alternativen umzusehen. Doch neben der Fichte leiden auch die Buche und die Kiefer unter dem Klimawandel, was die Suche nach Lösungen und Alternativen erschwert.
Waldumbau unausweichlich
Die Erreichung des Pariser Ziels, die Erderwärmung auf maximal 2 °C zu begrenzen, scheint nach aktuellen Entwicklungen in weite Ferne gerückt. Die Konsequenzen für die europäischen Wälder sind dramatisch. Wie aus der Studie hervorgeht, könnten die zukünftig geringeren Niederschlagsmengen auch die Brandgefahr weiter erhöhen. Unterschiedliche Szenarien prognostizieren eine potenzielle Verdoppelung der Waldbrandflächen bis zum Ende des Jahrhunderts.
„Wir müssen schleunigst Maßnahmen treffen, um den wertvollen Rohstoff Holz weiter zu erhalten und nutzbar zu machen. Das bedeutet auch, sich stückweise von dem uns bekannten Waldbild zu verabschieden“, formuliert es der IIASA-Experte sinngemäß.
Zuwachsplus im Norden
„In wenigen Regionen Europas, wie beispielsweise Skandinavien, in denen die Temperatur bisher einen limitierenden Faktor darstellte, sorgt die Erwärmung sogar für einen Biomassezuwachs. Die gleichzeitig deutliche Zunahme von Schadereignissen macht jedoch jeden positiven Effekt sofort zunichte“, relativiert Kraxner.
Die zumindest mittelfristig im Vergleich zu Zentraleuropa positiveren Aussichten erklären auch das steigende Engagement österreichischer und deutscher Holzindustrien im europäischen Norden. Der stetig wachsende Bedarf an Holz und Holzprodukten wird damit allein jedoch nicht befriedigt werden können und parallel dazu „sehen sich auch die finnischen und schwedischen Wälder bereits heute zunehmend mit Trockenheit und ersten Käferaktivitäten konfrontiert“, erklärt Kraxner.
Mit Zentraleuropa lässt sich die Situation jedoch nicht vergleichen. Im Negativrekordjahr 2019 entfiel allein in Deutschland mit über 70 Mio. fm beinahe das gesamte Einschlagsvolumen auf Schadholz. Im Vorjahr wurden zuletzt knapp 35 Mio. fm/J gemeldet. Auch wenn sich die Zahlen langsam wieder „normalisieren“, was bleibt, sind riesige ehemalige Waldungen, die wieder aufgeforstet werden müssen – klimafit versteht sich, „denn unter jeder alten Fichte wächst meist eine neue nach. Nur wird dieser anstatt einer geplanten Nutzung aller Voraussicht erneut ein Schadereignis zuvorkommen“, so Kraxner.
Müssen uns von Tabus verabschieden
Der hohe Schadholzanteil hat zur Folge, dass notgedrungen große Mengen an Fichtenholz kurzfristig auf den Markt kommen. Ein Waldzustandsbericht aus Nordrhein-Westfalen (NRW) kam zu dem Schluss, dass im westdeutschen Bundesland lediglich rund ein Viertel der bestehenden Bäume noch gesund sei. Die Trockenheit und der Borkenkäfer setzen den Beständen aus vorwiegend Buche und Fichte massiv zu. Mit diesen Schadholzmengen muss die Industrie einerseits umgehen, gleichzeitig solle man sich jedoch bereits auf das Danach vorbereiten.
„Ein schwieriger Spagat. Wir müssen uns dringend Gedanken machen, wie wir andere Baumarten stofflich nutzen können. Da muss auch technologisch noch einiges passieren. Zu vieles geschieht derzeit noch hinter einem Vorhang“, appelliert der Studienautor.
Doch mit welchen Baumarten muss die Industrie in Zukunft rechnen? Die zwischenzeitlich bereits als Alternative angepriesene Douglasie stellt sich als deutlich weniger resistent heraus als ursprünglich erhofft. Parallel unterstreichen invasive Hölzer wie die Robinie ihre Anpassungsfähigkeit in einem sich erwärmenden Mitteleuropa. Auch die Eiche dürfte in den kommenden Jahren deutlich mehr an geeignetem Habitat vorfinden. „Das Schlimmste, das wir machen können, ist, nichts zu tun. Der Umbau hin zu Wäldern mit resilienteren Baumarten passiert nur durch menschliches Zutun. Dabei dürfen wir uns nicht davor scheuen, auch auf nicht heimische Hölzer zu setzen“, erklärt Kraxner und mahnt angesichts des forstwirtschaftlichen Generationendenkens: „Uns muss jedoch bewusst werden, dass die Zeit, um Fehler zu machen, längst vorbei ist.“
Kaskadennutzung weiter predigen
Dr. Metodi Sotirov, Professor für Forst- und Umweltpolitik an der Universität Freiburg, ist sich sicher: „In Zukunft wird es jede Baumart brauchen. Wichtig ist es, durch Biodiversität das Risiko so breit wie möglich zu streuen. Die Frage wird jedoch bleiben, wie viel Holz für die einzelnen Industriezweige zukünftig zur Verfügung stehen wird.“ Mit Letzterem spricht Sotirov den wachsenden Konflikt zwischen energetischer und stofflicher Nutzung des wertvollen Rohstoffs an.
Einen Teil der Lösung sieht Kraxner dabei in einer deutlich forcierteren kaskadischen Nutzung: „Der Waldbesitzer kann seinen Ertrag am Hektar nicht weiter erhöhen. Bei einem Bauprodukt muss es jedoch möglich sein, es deutlich öfter als nur ein Mal verwenden zu können. Das Verbrennen muss erst ganz am Schluss erfolgen.“
Zielkonflikte in der Waldbewirtschaftung
Mehr als die Hälfte der europäischen Waldflächen steht im Privatbesitz. „Viele der Eigentümer verfolgen unterschiedliche Interessen. Hier gilt es, einen wichtigen Ausgleich zwischen einer intensiven und extensiven Waldbewirtschaftung zu finden. Nationalstaatliche Waldpolitiken müssen dringend harmonisiert werden, um gemeinsame Ziele zu erreichen. Dabei ist es entscheidend, aktiv auf die Walzbesitzer mit unterschiedlich angepassten Strategien zuzugehen, um so auch von politischer Seite Anreize zu schaffen, die eine nachhaltige Waldbewirtschaftung fördern und positiv zur Holzversorgung beitragen“, erklärt der Forst- und Politexperte Sotirov.
Gleich wie der Klimawandel kennt auch der Wald weder Besitzstrukturen noch Landesgrenzen. „Eine transnationale und sektorübergreifende Zusammenarbeit wird entscheidend sein, um die aktuellen und zukünftigen Unsicherheiten und Veränderungen erfolgreich zu meistern“, heißt es in einem Schlussstatement der internationalen Studie.
„Europas Holzversorgung in Zeiten des Umbruchs“
So heißt die Studie, die von einem achtköpfigen internationalen Autorenteam erstellt und jüngst von der Plattform Teaming up 4 Forests veröffentlicht wurde.
Diese entstand 2021 aus einer Kooperation zwischen der IUFRO (International Union of Forest Research Organizations) und der Mondi-Gruppe. Ihr Ziel ist es, wissenschaftliche Erkenntnisse in praktische Handlungsoptionen für den Holz verarbeitenden Sektor zu übersetzen, um so den Diskurs zwischen Wissenschaft und Wirtschaft aktiv zu fördern.
Hier geht's zur Studie.