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Im Umkreis von 100 m wurde das Energie-Contracting-Modell realisiert: Biomasse-KWK-Leoben (re.) und Leitinger-Pelletssilos © Dr. Johanna Kanzian

Industrie-Partnerschaft

Ein Artikel von Dr. Johanna Kanzian | 03.07.2005 - 00:00
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Leitinger, Kailbauer, Hemmer, Köberl, de Menech, Naftz (v. li.) anlässlich der Pressekonferenz © Dr. Johanna Kanzian

Die feierliche Eröffnung des weltweit größten ORC-Biomasse-Heizkraftwerkes fand am 23. Juni in Leoben statt. Das Projekt BKL (Biomasse-KWK-Leoben) wurde von der Steirischen Gas-Wärme (95%), einem Tochterunternehmen der Energie Steiermark, gemeinsam mit Mayr-Melnhof (5%) errichtet. Jährlich werden bis zu 400.000 srm Rinde verfeuert. Die Anlage produziert bis zu 200 GWh Wärme pro Jahr für die Trockenkammern der Mayr-Melnhof-Gruppe und die Pelletieranlage der Holzindustrie Leitinger. Zusätzlich werden in Leoben künftig rund 36 GWh Ökostrom im Jahr erzeugt, das entspricht dem Bedarf von mehr als 10.000 Haushalten.
Anlässlich der Feierlichkeit konnte auch die neue LeitingerPelletieranlage besichtigt werden. Am Standort Leoben wollte man dem Prinzip der kurzen Wege Rechnung tragen. In der Endausbaustufe sollen bis zu 240.000 srm/J Späne von Mayr-Melnhof die Rohstoffversorgung für die Pelletierung sicherstellen.Rekordverdächtig. „Die Bündelung von Brennstoffanfall, Kraftwerk und Wärmenutzung in einem großteils bestehenden Fernwärmenetz und in der neu errichteten Pelletieranlage im Umkreis von 100 m sowie die Realisierung der derzeit weltgrößten Biomasse befeuerten KWK-Anlage auf Basis des ORC-Prozess ist rekordverdächtig“, freute sich DI Peter Köberl, Vorstandssprecher der Steirischen Gas-Wärme.
„Die Akzeptanz der erneuerbaren Energieträger ist enorm hoch und wir setzen derzeit unseren Aktionsplan der energetischen Holznutzung um. Für das Projekt war Leoben der ideale Standort, da wir alles in einem Umkreis von 100 m unterbringen“, erläuterte Köberl.Meilensteine der Errichtung. „Der erste Kessel ging am 17. Dezember 2004 in Leistungsbetrieb und Wärmelieferung. Im Jänner folgte der zweite und dritte Kessel. Seit März wird das Pelletswerk mit Wärme versorgt und Strom produziert“, berichtete BKL-Geschäftsführerin Mag. Anneliese Hemmer. „Wir sind mit dem Heizkraftwerk in unserem Kernbereich tätig und haben ein steirisches Vorzeigeobjekt errichtet. Die Investitionskosten betrugen 20,4 Mio. €“, so DI Dr. Franz Kailbauer, Technischer Vorstand der Energie Steiermark.
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Im Umkreis von 100 m wurde das Energie-Contracting-Modell realisiert: Biomasse-KWK-Leoben (re.) und Leitinger-Pelletssilos © Dr. Johanna Kanzian

Konzentration auf das Core-Business. „Nach dem Motto „Schuster, bleib bei Deinen Leisten“, richten wir unsere Aufmerksamkeit auf das Sägewerk und die Weiterverarbeitung. Die Pelletierung ist keine Kernkompetenz von uns, deshalb haben wir uns für das Energie-Contracting-Modell entschieden“, so Mayr-Melnhof-Finanzvorstand, Mag. Josef Dringel.
„Mit einem Einschnitt von 1.250.000 fm/J fallen 400.000 srm/J Rinde an. Wir sind also in der Lage, das Heizwerk sowie die Pelletierung nachhaltig zu versorgen“, freute sich Ing. Anton de Menech, Technischer Geschäftsführer bei Mayr-Melnhof.Online-Transport von Entrindung zum Heizwerk. Die Rinde wird online von der Säge zum Heizwerk geliefert. Von den bestehenden Transportanlagen der Entrindung wird der Brennstoff durch einen über den drei Brennstoffbunkern angeordneten Spezial-Trogkettenförderer übernommen.
Der Förderer von Rudnick & Enners, Alpenrod/DE, transportiert auf einer Länge von über 90 m bis zu 200 rm/h, bei einer Antriebsleistung von zwei mal 18,5 kW. Die eingebauten Motorschieber gewährleisten die Befüllung der Brennstoffbunker.
Jeweils drei Schieber pro Bunker werden über Ultraschallfüllstandsmessung und SPS automatisch gesteuert. Sind alle Bunker gefüllt, wird der überschüssige Brennstoff am Ende des Förderers ins Freilager transportiert. Spricht auch im Freilager die Füllstandsmessung an, so wird im Aufgabenbereich mittels motorischer Schwenkklappe eine Bypass-Lösung aktiviert.
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Feierliche Eröffnung der Biomasse-Kraftwärmekopplung am 23. Juni in Leoben © Dr. Johanna Kanzian

Modularer Anlagenaufbau. 4000 Lkw-Fuhren pro Jahr wären ohne die Online-Lösung zur Brennstoffversorgung der Anlage notwendig.
„Es werden 1000 Schüttraummeter pro Tag benötigt. Durch den modularen Aufbau der Anlage – drei identische Feuerungen sowie Turbinen-Generatorensätze – erreichen wir eine hohe Ausfalls-Sicherheit. Wir haben uns unter anderem deshalb für den ORC-Prozess entschieden, weil er ein gutes Teillastverhalten aufweist und eine robuste und wartungsarme Technologie darstellt. Ein weiterer Punkt war der Betrieb ohne ständige Beaufsichtigung beziehungsweise ohne Dampfkesselwärter“, erläuterte DI Eugen Naftz, Geschäftsführung Enertec Naftz & Partner.
Mayr-Melnhof-FactsEinschnitt Leoben: 1,25 Mio. fm/J
Rindenlieferung für das Heizkraftwerk: 400.000 srm/J
Spänelieferung für Pelletierung: 240.000 srm/J
Mitarbeiter Standort Leoben: 245
Umsatz Standort Leoben 2004: 135 Mio. €Biomasse-KWK-Leoben-FactsInvestitionskosten: 20,4 Mio. €
Brennstoffwärmeleistung: 32,5 MW
Leistung thermisch: 24 MW
Leistung elektrisch: 4,5 MW
Jahreswärmeabgabe an Mayr-Melnhof: 140 bis 160 GWh/J
Jahreswärmeabgabe an Leitinger: 20 bis 32 GWh/J
Jahresproduktion Ökostrom: 36 GWh/JLeitinger-FactsVerarbeitete Schnittholzmenge: 320.000 m³/J
Mitarbeiter: 430
Gesamtpelletsproduktion 2004: 52.000 t/J
Kapazität Leoben: 40.000 t/J
Geplante Kapazität 2005: bis zu 70.000 t/J
Standorte: Wernersdorf, Preding, Madok/RU, Leoben
Umsatz: 92 Mio. €
Baugleich. Die drei baugleichen Feuerungen mit jeweils 10,5 MW Feuerungswärmeleistung stammen von Kohlbach, Wolfsberg. Das Rauchgas verlässt die Feuerbox mit 950° C und durchströmt den Thermoölkessel sowie drei nachgeschaltene Wärmetauscher. Die Separation des Brennraums in zwei Verbrennungszonen ermöglicht eine Umwelt schonende Verfeuerung. Durch das zylindrisch ausgeführte Rohrschlangensystem des Thermoölkessels wird ein Übergang der Energie vom Rauchgas in das Thermoöl ermöglicht. Eine zusätzliche Wirkungsgrad-Steigerung wird durch nachgeschaltene Economiser und die Luftvorwärmung erreicht.
Bevor das Rauchgas über den 29 m hohen Kamin ausgeblasen wird, erfolgt eine zweistufige Entstaubung in einem Multizyklonabscheider und einem Elektrofilter von Scheuch, Aurolzmünster. Das 300° C heiße Thermoöl überträgt die aus dem Rauchgas gewonnene Energie zur ORC-Anlage.
Zur zuverlässigen Reinigung der fast 150.000 m³ Abgase pro Stunde auf einen garantierten Reststaubgehalt von kleiner 25 mg/m³ werden dabei ebenfalls drei baugleiche Trocken-Elektrofilter eingesetzt. Der Silikonöldampf treibt die Turbine mit einer Nennleistung von 1,5 MW je ORC-Modul an. Die Jahresstrommenge
der drei Module beträgt 36.000 MWh. Die drei baugleichen ORC-Module stammen von Turboden, Brescia/IT.
Für die Planung des Kraftwerkes und der Infrastruktureinrichtungen waren die Planungsunternehmen Enertec, Graz, Bios Bioenergiesysteme, Graz, und PlanT, Graz, verantwortlich. Dachkonstruktion und Fassade stammen von Systemholz, Gaishorn am See. Die Fördertechnik lieferte Rudnick & Enners. Thermoölkessel und Thermoölpumpen stammen von MaxxTech, Sinsheim/DE.
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Kompaktanlage: Pelletspressen von CPM mit einer Kapazität von jeweils 4,5 t/h © Dr. Johanna Kanzian

Pelletierung gleich nebenan. Die Pelletsproduktion von Leitinger ist Ende März, nach fünfmonatiger Bauzeit, in Betrieb gegangen. Die Investitionskosten betrugen 3,5 Mio. €.
„Mit unseren drei Standorten in Preding, Wernersdorf und jetzt in Leoben decken wir die Versorgung der Steiermark gut ab“, erläuterte Ing. Wolfgang Leitinger, Geschäftsleitung Holzindustrie Leitinger.
Der Vollbetrieb konnte bereits aufgenommen werden. Erzeugt werden 170 bis 200 Tonnen Pellets pro Tag. Als Pellets-Pionier konnte man bei der Anlagenplanung auf langjährige Erfahrungen zurückgreifen. Die Projektierung wurde von Leitinger gemeinsam mit dem Planungsbüro Fruhmann und Partner, Graz, umgesetzt.Ebenfalls Online-Lösung geplant. In Zukunft soll die Spänezufuhr online direkt vom Sägewerk erfolgen. 240.000 srm/J werden benötigt. Am Bandtrockner werden die Späne auf eine Feuchte von unter 10% getrocknet.
Die Nassspäne werden mit dem Trockner von Stela Laxhuber, Massing/DE, durch Abwärme aus dem Kraftwerk getrocknet. Die Trockengutleistung ist einstellbar von 3,5 bis 7 t/h. Der Stela-Trockner arbeitet vollautomatisch, ohne Bedienpersonal 24 Stunden pro Tag. Die getrockneten Späne werden auf der Hammermühle von CPM, Amsterdam NL, zerkleinert.
Nach dem Scheuch-Spezialfilter gelangen sie in die Konditionierung und werden auf eine Endfeuchte von 12 bis 14% eingestellt. Es werden isolierte Ligno-Filter wegen einer möglichen Taupunktunterschreitung eingesetzt. Die Anlagen mit Absaugstellen für die Kühlluft nach dem Pressvorgang sowie an den Späneförderern, Übergabestellen, Elevatoren werden im Unterdruckbetrieb mit einem nachgeschalteten Ventilator betrieben.
Die zwei eingesetzten CPM-Pressen haben eine Kapazität von je 4,5 t/h. Die Pellets werden in je zwei Betonsilos von Wolf Systembau, Scharnstein, gelagert. Der Vertrieb wird über Pelletshändler abgewickelt.