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Am Samstag, dem 2. Juli, um circa 19:00 Uhr setzte der Regen ein – vier Stunden der Verwüstung trafen das Gelände des Tragweiner Sägewerks Ortner-Holz © Ortner-Holz

Einschneidende Erfahrung

Ein Artikel von Kathrin Lanz | 17.08.2017 - 17:20
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Rudolf Ortner führt den Familienbetrieb in sechster Generation. © Ortner-Holz

Vor einem Jahr ging alles ganz schnell. Innerhalb von eineinhalb Stunden stellte eine Wetterkapriole die Existenzgrundlage von Ortner-Holz infrage. Der Holzkurier erfragte in Tragwein, woher man die Kraft und den Mut nimmt, einen 3,5 Mio. €-Hochwasserschaden, der vorerst auf 1 Mio. € geschätzt wurde, ohne Hochwasserversicherung zu stemmen.

Spricht Rudolf Ortner heute über die Hochwasserkatastrophe in seinem Betrieb, ist ihm der Schrecken von damals noch immer ins Gesicht geschrieben. „Der Mensch ist zum Glück recht einfach gestrickt: Geht es einmal nicht mehr um Besitz, sondern gerät die eigene Sicherheit und jene der Familie in Gefahr, ist man kurz nach einem solchen Unglück einfach nur froh, dass es alle unbeschadet überstanden haben“, spricht der Jungunternehmer eine schmerzlich gewonnene Erfahrung aus. Ortner hat den Familienbetrieb 2005 in sechster Generation von seinem Vater übernommen. Insgesamt blickt der Betrieb auf eine über 800-jährige Geschichte zurück. In all dieser Zeit blieb das Unternehmen vor großer Verwüstung verschont. Dann kam es anders. In der Nacht von 2. auf 3. Juli vergangenen Jahres brach ein Unwetter über einen kleinen Teil des Mühlviertels herein, welches das Bauholz-Sägewerk Ortner und fünf weitere umliegende Gebäude schwer traf. „Wir waren gerade bei der Geburtstagsfeier des Bürgermeisters, als das Unwetter dort das Partyzelt einriss.“ Erst zu Beginn des Niederschlags gab es eine Unwetterwarnung. „Solche Meldungen kommen alle zwei, drei Monate – passiert ist bis dahin noch nie etwas.“ Einmal auf dem Betriebsgelände angekommen, war dann aber relativ schnell klar, dass die Situation ernst ist. Innerhalb von eineinhalb Stunden fand sich das Areal komplett überflutet. Nach vier Stunden stoppte der Niederschlag. Was sich während dieser Zeit abgespielt hat, ist kaum vorstellbar.

„Im besten Fall braucht man kein Hochwasser, um die Sinne zu schärfen.“


Rudolf Ortner, Ortner-Holz

Evakuierung unmöglich

135 l/m2 Regenmenge der ersten Unwetterstunde hielt der Hochwasserschutz des Großvaters letztendlich nicht stand. In anfänglicher Annahme, noch etwas retten zu können, versuchte Ortner ein Fahrzeug zu bergen. Dabei geriet er selbst in Gefahr und musste von Feuerwehrleuten gerettet werden. Als die beiden nahe gelegenen verrohrten Bäche einmal überliefen, war klar: Die Zerstörung ist nicht aufzuhalten. 

„Damit man sich vorstellen kann, wie stark die Überschwemmung war: Einen 6 t-Stapler hat es einfach weggespült. Hätte sich das 6000 fm-Rundholzlager in Bewegung gesetzt, wäre das höchst gefährlich gewesen.“ (Jenes befindet sich oberhalb des Wohnhauses; Anm. d. Red.) Das Einbrechen der Bundesstraße über dem Gelände machte eine Evakuierung unmöglich. Weiteren Einsatzkräften war die Zufahrt ebenfalls versperrt. So blieb den Anwesenden nichts anderes übrig, als sich im Haus in Sicherheit zu bringen und abzuwarten. „Um Mitternacht war das Wasser weg.“

500 m3 Schnittholz weggespült

Um fünf Uhr früh beging Ortner gemeinsam mit dem Feuerwehrkommandanten schweigend das Gelände. Die Zerstörung war verheerend. 500 m3 Schnittholzlager hat es weggespült. „Noch Wochen nach dem Hochwasser riefen Bekannte an, dass bei ihnen Schnittholz angespült wurde.“ Sämtliche Asphaltflächen waren eingebrochen, die unterirdischen Bachverrohrungen waren verklaust, drei Hallen einsturzgefährdet und die Hobelmaschinen unter Wasser. Sämtliche Antriebe im Sägewerk, alle Motoren und der Elektrizitätsverteiler wurden unterspült, das Wasserkraftwerk komplett zerstört. Die Fördermaschinen waren defekt. Noch am ersten Tag nach der Katastrophe musste sich Ortner entscheiden, wie es weitergeht. „Man befindet sich in einem emotionalen Ausnahmezustand, und gerade in diesem Augenblick muss man solch einen weitgreifenden Entschluss fassen. Entweder wir schließen am Montag und informieren alle Kunden. Oder wir beginnen augenblicklich mit den Aufräumarbeiten. Wartet man zu lange, wird der Schlamm hart wie Beton. Das waren die Optionen.“

200 Elektromotoren ausgebaut

Ornter entschied sich, nicht aufzugeben. Dazu trieb ihn auch die enorme Solidarität, die ihm und seiner Familie von Freunden, Mitarbeitern, Verwandten, Bekannten und Unternehmen der Umgebung zuteil wurde. Noch am Sonntag begannen die Aufräumarbeiten. In den ersten Tagen waren 190 Helfer im Schichtbetrieb am Werk. „Baufirmen, die wir gar nicht kannten, standen plötzlich unangekündigt vor der Tür. Eine 30er-Geburtstagsfeier verlagerte die Festivität samt Spanferkel zu uns und alle halfen, anstatt zu feiern. Der Lebensmittelmarkt aus dem Ort lieferte Getränke. Ganz abgesehen vom Einsatz der Mitarbeiter – man braucht ja Leute, die koordinieren und sich auskennen.“ Zig Tonnen Schlamm mussten weg. Maschinen wollten komplett auseinandergenommen, getrocknet und repariert werden. „200 Elektromotoren reinigten wir und trockneten sie im E-Herd.“ Während der zwei Wochen der Sanierung durften unsere Mitarbeiter die Infrastruktur benachbarter Sägewerke in Pregarten und Tragwein für unsere Auftragsarbeiten nutzen. Zum Teil kostenlos.“ Als Mitglied von MH-MassivHolz erfuhr er ebenfalls große Unterstützung. „Wir brauchten Platz für die Sanierung, deshalb kauften uns MH-MassivHolz-Mitglieder quer über Österreich verteilt schadlos gebliebenes Bauholz ab.“

„Ein ganzes Jahr hatten wir Stillstände von einem halben bis einem ganzen Tag pro Woche – aufgrund von Defekten der Elektromotoren. Gegen einen Brand wären wir zumindest versichert gewesen.“


Rudolf Ortner

Von 1 zu 3,5 Mio. € Schaden

„Zuerst schätzten wir den Schaden auf 1 Mio. € – aber bis heute sind die Aufräumarbeiten nicht beendet. Wir rechnen zum jetzigen Zeitpunkt mit einer Schadenssumme von 3,5 Mio. €.“ Ornter konnte den Betrieb zwar zeitnah wieder aufnehmen, aber die Langzeitfolgen sind beachtlich. „Ein ganzes Jahr über hatten wir Stillstände von einem halben bis einem ganzen Tag pro Woche – aufgrund von Defekten der Elektromotoren. Gegen einen Brand wären wir zumindest versichert gewesen.“ Die Sanierungsarbeiten dauern aktuellen Einschätzungen nach noch bis Jahresende an. 

Für ein Bauholzsägewerk mit 30.000 fm/J Einschnittkapazität klingt das nach einem kaum bewältigbaren Schaden. Nicht für Ortner: „Die große Investition zwingt uns, mit Nachdruck am Erfolg zu arbeiten.“ Schon vor fünf Jahren startete man mit der Modernisierung des Unternehmens – „kompromisslos und fokussiert. Eine solche Katastrophe animiert noch einmal, alles zu hinterfragen, was man bisher gemacht hat. 3,5 Mio. € finanziert man nicht, indem man alles so lässt, wie bisher.“

Branchen-Einigkeit erfolgsmaßgebend

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Ortner-Holz sieht positiv in die Zukunft – ständig im Fokus: Prozessoptimierung, Vertrieb und Qualitätsmanagement © Ortner-Holz

„Nach einem Jahr kann ich behaupten: Es hat sich ausgezahlt. Im Moment haben wir als auf Bauholz spezialisiertes Sägewerk eine Riesenchance inmitten des Auftragshochs.“ Dabei spiele auch der Zusammenhalt in der Branche eine Rolle. „Nur wenn wir an einem Strang ziehen, werden wir von außen positiv wahrgenommen. Wenn wir Konflikte nach außen tragen, schadet das allen und wir laufen Gefahr, dass wir gegen den Mitbewerb verlieren.“ Damit spielt der stellvertretende Fachgruppenobmann der Holzindustrie Oberösterreichs unverblümt die Uneinigkeiten bezüglich der Grundumlage an. „Es gibt ein Ungleichgewicht, da stimme ich zu. Mein Zugang ist aber, dass niemand weniger zahlen sollte, sondern eher jene, die weniger zahlen, mehr. Das bringt allen etwas“, sagt er aus Überzeugung.

Und was hat er persönlich aus der Krise gelernt? „Man muss ständig am Ball bleiben. Über Generationen gleich dahinzuarbeiten, kann man sich nicht leisten. Wir müssen uns an den Markt anpassen und nicht der Markt an uns. Früher hab ich Sägeblätter geschärft, heute überlege ich mir Online-Strategien. Zu diesen Erkenntnissen kam ich zwar vorher auch schon, aber nach dem Schadensfall leichter. Im besten Fall braucht man aber kein Hochwasser, um die Sinne zu schärfen.“