BOKU Wien

Forschung, Lehre und Studium

Ein Artikel von Günther Jauk (für holzkurier.com bearbeitet) | 05.06.2020 - 10:08

Die Holzwirtschaft zählt in Europa und gerade auch in Österreich zu einem der wichtigsten Industriezweige mit vielseitigen, interessanten und sicheren Arbeitsplätzen. „Im Wettbewerb der Werkstoffe und durch die steigende Bedeutung von nachwachsenden Rohstoffen müssen Materialien und Produkte aber ständig ihre Position verteidigen und durch den Einsatz innovativer Technologien weiter ausbauen. Dies erfordert beste Ausbildung, ein entsprechendes technisches und wirtschaftliches Know-how in den Betrieben und innovative Forschungskonzepte“, weiß Univ.-Prof. Johannes Konnerth, Professor für Technologie des Holzes.

Mit dem Bachelorstudium Holz- und Naturfasertechnologie setzt man an der BOKU den Start im Bereich der Holzwirtschaft und damit in dieses Zukunftsfeld der aufstrebenden Bioökonomie. Ziel des Bachelorstudiums ist es, Kompetenz für Holz und andere nachwachsende Rohstoffe, deren Nutzung sowie Verarbeitung zu intelligenten, innovativen Werkstoffen und Produkten zu vermitteln. Dieses Studium vermittelt ein breites Wissen in den naturwissenschaftlichen und sozioökonomischen Grundlagen sowie den Anwendungstechnologien von Holz, Holzwerkstoffen und Naturfasern. Die nachhaltige Nutzung von Holz und anderen nachwachsenden Rohstoffen steht hierbei im Vordergrund.

Eine Antwort auf die Herausforderungen des Sektors stellt das Masterstudium Holztechnologie und Management dar. Hier wird in einer ausgewogenen Kombination von Technologie und Management genau jenes Wissen vermittelt, das Führungskräfte in der Wirtschaft, aber auch im Bereich der Forschung und Entwicklung benötigen, um
die Branche erfolgreich in die Zukunft zu führen. Spezielle Vertiefungen können dabei in den Bereich „Wood Material Engineering and Processing“ oder „Holzindustrielles Management“ gelegt werden. Ergänzend dazu bietet das Masterstudium „Stoffliche und energetische Nutzung nachwachsender Rohstoffe (NAWARO)“ Kompetenzen von der Rohstoffproduktion beziehungsweise Gewinnung bis zu deren Endnutzung.
Allen Bachelor- und Masterstudien der BOKU gemein ist das sogenannte Drei-Säulen-Prinzip aus den Wissenschaftsgebieten Sozioökonomie,, Naturwissenschaften und Technik. „Zudem können Studierende in einem bestimmten Rahmen ihren Studienplan nach eigenen Interessen selbst mitgestalten und somit individuelle Schwerpunkte setzen“, betont Konnerth.

Als Universität bietet die BOKU als einzige österreichische Ausbildungsstätte ein Doktoratsstudium im Fachbereich Holz und nachwachsende Rohstoffe an. Dabei entwickeln die Studierenden anhand mehrjähriger Forschungsprojekte im Bereich der grundlagen- oder auch anwendungsorientierten Forschung mit aktuellen Fragestellungen die Befähigung zu selbstständiger wissenschaftlicher Arbeit. Zudem wird auch der wissenschaftliche Nachwuchs gefördert und herangebildet.

Gemeinsame Forschung entlang der Wertschöpfungskette

An den Standorten in Wien und Tulln beschäftigen sich an mehreren Instituten bis zu 150 Wissenschaftler mit unterschiedlichen Fragestellungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette der Holz- und nachwachsenden Rohstoffe verarbeitenden Industrie von der grundlagen- bis zur anwendungsorientierten Forschung. Durch zahlreiche Kooperationen in Einzel- und Großprojekten, wie solchen von Christian Doppler Labors und Comet, sowie die führende Rolle der BOKU im Kompetenzzentrum Wood K plus besteht eine tiefe Verwurzelung mit der heimischen und internationalen Industrie, wodurch ein optimaler Transfer von akademischer Forschung zur industriellen Praxis garantiert ist.

Am Institut für Holztechnologie und Nachwachsende Rohstoffe sind die folgenden Arbeitsbereiche vereint: Beim Themenbereich Biobased Fiber Materials von Univ.-Prof. Wolfgang Gindl-Altmutter, der auch das Institut leitet, liegt die wissenschaftliche
Leitung von Wood K plus mit vielfältigen Aktivitäten zur Entwicklung neuartiger Materialien und Prozesse auf der Basis nachwachsender Rohstoffe. Daneben liegt der Forschungsschwerpunkt der Professur in Struktur-Eigenschaftsbeziehungen biobasierter Fasermaterialien, von Zellstofffasern über Einjahrespflanzen und Nanozellulose bis zu biobasierten Carbonfasern.

Für die Holztechnologie setzt Konnerth auf die Fortsetzung und den weiteren Ausbau der anerkannten Expertise in der Verklebung von Holz und Holzwerkstoffen sowie Engineered Wood and Wood Hybrids von Dr. Ulrich Müller mit dem derzeitigen Schwerpunkt auf Wood Mobility und die (historische) Holzverwendung und Dendrochronologie von Dr. Michael Grabner. Mit zusätzlichem Personal neu aufgebaut werden zukünftig die zwei Bereiche Technologie der strukturellen Baumaterialien und funktionelle lignozellulosische Materialien.

Die Professur Naturstofftechnologie von Univ.-Prof. Rupert Wimmer beschäftigt sich mit matrixdominanten sowie partikel-/faserdominanten Verbundwerkstoffen mit Holz und anderen Naturstoffen, Reststoffen der Land- und Forstwirtschaft oder Alttextilien. Des Weiteren mit der Herstellung von Nonwovens mit Naturstoffen für Formteilwerkstoffe sowie Umwelt(bio)technologien mit Anwendungen in der Holzindustrie (Staubreduktion, Beschichtungsstoffe). Zentrale Anliegen sind auch Werkstoffdesign nach Cradle-to-Cradle-Prinzipien, Material-Kohlenstoffmanagement und die Bedeutung von Naturstoffprodukten für eine zukünftige Bioökonomie.

Aus verschiedenen Blickwinkeln

Neben dem Institut für Holztechnologie beschäftigen sich an der BOKU noch zahlreiche weitere Institute und Professuren mit dem Thema Holz. Am Institut für Chemie nachwachsender Rohstoffe sind dies etwa die Professur „Wood, Pulp and Fiber Chemistry“ von Univ.-Prof. Thomas Rosenau, „Chemistry of Lignocellulosic Materials”, von Univ.-Prof. Antje Potthast oder auch die Teilbereiche „Biomaterial chemistry“, „Biorefinery analytics“ oder „Hybrid materials“.

Am Department für Agrarbiotechnologie, IFA-Tulln, unter der Leitung von Univ.-Prof. Georg Gübitz wird an Enzymen als leistungsfähige Biokatalysatoren in Prozessen zur Verarbeitung von Lignocellulose geforscht. Das Team von Doz. Gibson Nyanhongo beschäftigt sich mit Enzymen zur Aufwertung von Lignin, zum Beispiel für den Einsatz in Beschichtungen oder Klebstoffen, der Oberflächen-Funktionalisierung von Lignozellulose einschließlich Holz sowie mit biotechnologischen Recyclingprozessen.

Das Institut für Verfahrens- und Energietechnik beheimatet die Arbeitsgruppe Energietechnik und Energiemanagement von Univ.-Prof. Tobias Pröll. Diese beschäftigt sich mit Ressourceneffizienz und Klimarelevanz von Prozessen und Bereitstellungsketten. Im Bereich Holz stehen hier energieintensive Prozesse in der Verarbeitung und die thermische Verwertung von Nebenprodukten im Fokus.
Die Professur Prozesstechnik nachwachsender Rohstoffe von Univ.-Prof. Christoph Pfeifer hat den Schwerpunkt auf der Entwicklung von Prozessen zur thermochemischen Umwandlung (Verbrennung, Vergasung, Pyrolyse, hydrothermalen Karbonisierung) von kohlenstoffhältigen Rohstoffen zu Produkten oder Energieträgern als wichtiger Pfeiler für eine angewandte Bioökonomie zur Bereitstellung von Chemikalien oder gasförmigen und flüssigen Energieträgern.

Im Fachbereich Angewandte Physik und Biomaterialwissenschaften von Univ.-Prof. Helga Lichtenegger liegt neben anderen biologischen Materialien ein Schwerpunkt auf Holz als Vorbild für neue „bioinspirierte“ Werkstoffe.

Forschung und Lehre eng verwoben

Die bereits angeführte strategische Partnerschaft der BOKU mit dem Kompetenzzentrum Holz hat am Standort Tulln mit der dort angesiedelten Sparte Massivholz und Holzverbundwerkstoffe unter der Leitung von Dr. Christian Hansmann eine besonders hohe Bedeutung. Enge Zusammenarbeit in Forschung und Lehre wird durch gegenseitige Nutzung der Infrastruktur vor Ort noch unterstrichen. Der Forschungsbereich beschäftigt sich mit der Optimierung von holztechnologischen Materialien, Prozessen und fertigungstechnischen Verfahren entlang der gesamten Wertschöpfungskette Holz. Wichtige Ziele dabei sind Material- und Prozessneuentwicklungen sowie grundlagenorientierte Forschung in den Bereichen der Rohstoffaufbereitung, der Funktionalisierung, der Verklebung, der Holzwerkstoffe, der digitalen Transformation sowie der Emissionen und Immissionen.

Aktuell wird das bisher bearbeitete Spektrum um spezifische Fragestellungen zur verstärkten Rohstoffvariabilität, zu Baumaterialien aus Holz und anderen nachwachsenden Rohstoffen (NAWARO), zu Holzindustrie 4.0 und Wellbeing erweitert beziehungsweise fokussiert. Besondere Bedeutung haben dabei: Laubholz, Recyclingma- terialien, Hybridmaterialien für Bauanwendungen, Brand- und Feuchteschutz, kritische Anwendungen (etwa im Außenbereich), biobasierte Bindemittel, Digitalisierung des Rohstoffes und Vernetzung der Produktionsprozesse sowie Einfluss natürlicher Baumaterialien auf den Nutzer.