Mittlerweile ist bei Schnittholz ein krasser Verkäufermarkt eingetreten. Die teilweise ungewohnte Verhandlungsposition lässt manche Verkäufer übers Ziel schießen. Stichwort: aus Quartals- wurden mitunter schon Wochenpreise.
Hier ein stichpunktartiger Versuch einer Erklärung:
- Der globale Nadelschnittholz-Bedarf wird 2021 höher sein als die -produktion. Nicht alle Weltregionen werden ihren Bedarf voll decken können. Erstmals überhaupt könnte beim Bedarf die 350 Mio. m3/J-Marke überschritten werden.
- Die Branche hat fast weltweit mit sehr tiefen Lagerständen überwintert, regional gab es Rundholzmangel. Die Sägewerke haben geringe Lagerstände, genauso wie die Zwischenhändler und die Verarbeiter. Die Vorräte sind knapp in: Europa, den USA und in China. Exemplarisch sei folgende Anfrage erwähnt: Ein kanadischer Verpacker erkundigt sich bei einem deutschen KMU-Sägewerk nach Ware. Es herrscht eine unglaubliche Marktdynamik in faktisch allen Holzsortimenten.
- Ein erzielbarer US-Preis von 400 bis 500 €/m3 ab deutschem Sägewerk hat massive Folgen für den Einschnitt in Mitteleuropa. Das Wunschschnittbild enthält sukzessive mehr US-Ware. „Da fallen immer weniger 17 mm-Bretter runter“, formulierte es im Vorjahr jemand. (Man könnte auch andere Sortimente einsetzen: KVH-Rohware, oder …) Derzeit liegt der US-Preis bei 514 €/m3 ab deutschem Sägewerk, vor genau einem Jahr waren es 250 €/m3. Wenn man für blanke Schnittware 500 €/m3 ab Werk erhält, verschieben sich viele Preisrelationen.
- 2020 stiegen die deutschen Nadelschnittholz-Exporte daher in Richtung der USA um 54 % auf knapp 2 Mio. m3. Ganz Europa verschiffte über 3,5 Mio. m3 Nadelschnittholz nach Amerika – Ware, die irgendwo fehlt.
- Nach dem COVID-19-Schock im 1. Quartal 2020 kam es am Ende des 3. Quartals weltweit zu einer sprunghaften, gleichzeitigen Nachfragebelebung.
- „Hausrenovierung statt Urlaub“ ließ den Markt für DIY-Sortimente massiv ansteigen. Im deutschen Außenhandel wuchsen etwa die Umsätze von Gartenholz um +28 %, von Hobelware um 20 %, Ausbauprodukte und Fußböden erzielten +12%. Alle Sortimente für den DIY, Outdoorbereich legten massiv zu – und das weltweit.
- In den Vorjahren kamen in Mitteleuropa viele neue BSP-Produktionen hinzu – auch das änderte den Schnittholzmarkt substanziell. Seit 2010 hat sich die Nadelschnittholz-Produktion in Deutschland (2010: 21,1 Mio. m3; 2020: rund 25 Mio. m3) und Österreich (2010: 9,8 Mio. m3; 2020: 10,3 Mio. m3) zusammen „nur“ um 14 % erhöht. Die Brettsperrholz-Produktion hat sich in diesen beiden Ländern laut Holzkurier-Erhebung im selben Zeitraum verdreifacht – von 340.000 m3 2010 auf knapp über 1 Mio. m3 2020. Allein das sorgt für eine massive Veränderung der Schnittholzströme. Denn: Um diese 1 Mio. m3 BSP zu erzeugen, sind zumindest 1,25 Mio. m3 Schnittholz nötig.
- Weiterverarbeiter, die sich bisher auf ihre Versorgung verlassen konnten, sehen diese nun gefährdet. Auch weil etwa die skandinavischen Holzindustrien teilweise in den USA und in China lukrativere Absatzmöglichkeiten vorfinden als in Mitteleuropa.
- Die mitteleuropäischen Weiterverarbeiter gingen mit höchsten Auftragsständen, aber unterdurchschnittlichen Lagerständen ins neue Jahr. Eine echte Mehrproduktion ist in vielen Sparten (z.B. BSH) nicht mehr möglich, die Kapazitäten sind vielfach am Anschlag beziehungsweise fehlt es an Material und/oder Personal.
- Selbst China setzt langsam auf Green Building – bereits die Winterolympiade 2022 soll das symbolisieren. In China wird der Nadelschnittholz-Bedarf heuer erneut steigen. 2021 könnten es 70 Mio. m3 sein, 2022 schon 75 Mio. m3. Und: China wird heuer merklich höhere Nadelschnittholz-Preise akzeptieren müssen, um vollumfänglich versorgt werden zu können.
- Den gewohnten Holzfluss ändert auch der sukzessive umgesetzte Rundholz-Exportstopp Russlands – von dem ganz besonders China, Finnland und die baltischen Staaten betroffen sind.
- Der derzeitige regionale, auch jahreszeitbedingte Rundholzmangel verändert auch die Schnittholzströme. So müssen in Südösterreich üblicherweise selbstversorgte Holzindustrien Ware für die eigenen Weiterverarbeitungen zukaufen, mit überregionalen Auswirkungen. Selbst kurzfristige Stillstände (z.B. Holzindustrie Mosser nach Brand), Einmalereignisse (z.B. Dacheinbruch Brüder Theurl), Umbauten (z.B. BSH-Werk Pfeifer-Group, Imst) können im Unterschied zu den Vorjahren nicht sofort von anderen Unternehmen kompensiert werden.
- Angesichts der angespannten Versorgungslage tendieren Einkäufer zu Mehrfach-Orders („einer wird’s schon liefern“). Teilweise wird so die Nachfrage überschätzt. Es besteht die Gefahr, dass sich eine Auftragsblase bildet.
- 2021 gibt es eine massive Nachfrage im europäischen Holz- und Fertighausbau (trotz des Lockdowns 14 % Umsatzplus des deutschen Holzbaus 2020; Dezember 2020 zu Dezember 2019: +42 %).
- Wer Preisanstiege verschläft, wird mit Orders „zugeschüttet“. Umgekehrt: Wenn sogar überzogene Abwehrpreise bezahlt werden, geraten geplante Auslieferschemata aus den Fugen.