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© Syncraft

Wiehag

Das klimapositive Holzgaskraftwerk

Ein Artikel von Philipp Matzku | 09.05.2023 - 07:31
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Holzvergasung in zwei Stufen: Der Schwebereaktor „crackt“ den Teer auf und im Filter wird dem Gas gezielt die verbliebene Pflanzenkohle entnommen © Syncraft

„Bei einer einzelnen großen Holzvergasungsanlage habe ich im Gegensatz zu einer Kaskadennutzung nur eine mögliche Fehlerquelle anstatt mehrerer. Syncraft war letztlich der Einzige, der bei unserer Brennstoffspezifikation und unseren Leistungsforderungen ein Anlagenkonzept umsetzen konnte“, begründet Otto Baier, Leiter Instandhaltung bei Wiehag, die Entscheidung für den Tiroler Maschinen- und Anlagenbauer. Seit Ende 2021 ist die Holzvergasungsanlage des Typs CW1800-500 von Syncraft bei Wiehag in Betrieb. Die Brennstoffwärmeleistung liegt bei 1808 kW, die elektrische bei 500 kW sowie die thermische bei 740 kW.

Die perfekte Brennstoffzusammensetzung

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Geschreddertes Kappholz: Klaus Embacher, Syncraft-Projektentwickler, und Otto Baier, Leiter Instandhaltung bei Wiehag (v. li.), mit dem Restholz aus der BSH-Produktion © Philipp Matzku

Zur Eigenstromversorgung verwendet man am Hauptsitz in Altheim das Restholz aus der BSH-Produktion. Rund 350 kg/h atro werden benötigt. Dies erzeugt eine Heizwärme von 5,5 Mio. kWh/J und bis zu 4,15 Mio. kWh/J-Strom. Eingesetzt wird der bis zu 25 cm lange Brennstoff aus der Fehlerauskappung der BSH-Lamellenfertigung sowie aus Waldhackgut. Beides wird geschreddert sowie das Hackgut getrocknet und in einem Mischungsverhältnis von 70 zu 30 der Holzvergasungsanlage zugeführt. Aus Baiers Sicht wäre es kein Nachteil, wenn man dem Brennstoff zusätzlich noch Rinde beimischt. Das spezifische Gewicht je Schüttraummeter des Wiehag-Brennstoffes ist dabei von entscheidender Bedeutung (Strom plus CO₂-Senkung). „Die Schüttdichte des verwendeten Brennstoffes sollte bei 180 kg/Srm liegen, wir können die Anlage bereits mit 150 kg/Srm ohne zusätzlichen Aufwand in Volllast fahren“, informiert Baier. „Hackgut aus Laubholz zwischen G30 und G50 eignet sich am besten. Wir nutzen in der Regel zwei Trocknungsboxen, verwenden aber bei Wiehag nur eine. Die zweite existiert nur räumlich, wird aber derzeit als Brennstoffvorratslager eingesetzt“, ergänzt Klaus Embacher, Projektentwickler bei Syncraft. Das Hackgut wird bei 50° C Niedertemperatur auf 8 bis 10% runtergetrocknet.

Effizienzsteigerung bis ins Detail

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Optimierter Brennstoff: In der Trockenkammer (links) wird das Waldhackgut (dunkle Farbe) auf unter 10 % Restfeuchte getrocknet und im Lager (rechts) dem geschredderten Restholz (helle Farbe) im Verhältnis 70 zu 30 beigemischt © Philipp Matzku

„Die ganze Anlage ist komplett ausgereift und läuft wie ein Uhrwerk. Alle 8000 Betriebsstunden stellen wir wegen Servicearbeiten ab. Wir konnten sogar im ersten Betriebsjahr durchgehend 8200 Volllaststunden fahren“, betont Baier und Embacher fügt hinzu: „Wir bauen Anlagen in einem Leistungsbereich von 400 bis 4000 kW elektrischer Leistung, die für den ganzjährigen Betrieb ausgelegt sind. Bei motiviertem Personal sind, wie hier bei Wiehag, Betriebszeiten von über 8000 Stunden möglich. Standardmäßig werden die Anlagen mit 85% Auslastung auf 7500 Volllaststunden ausgelegt. Wir servicieren unsere Motoren im gleichen Intervall wie die sehr sauber geltenden Erdgasmotoren“, gibt Embacher zu verstehen. Syncraft nutzt Industriemotoren von führenden Herstellern, wie Innio Jenbacher und 2G. „Motoren ab 500 kW werden von unserem Partner Innio Jenbacher verbaut. Unsere Tochtergesellschaft, die Syncraft Engine Service, übernimmt die Wartung“, erklärt Embacher.

Die im Werk anfallenden Hobelspäne werden an Pelletswerke verkauft, das Altholz sowie die Industrieholzabfälle aus der Fertigung mit einem betriebseigenen Großhacker gehackt und in einem Polytechnik-Biomassekessel verbrannt (Optimierte Abbrandgeschwindigkeit). Der Jahresstromverbrauch von Wiehag beträgt zwischen 7,5 und 8,5 GWh. Zwei Mitarbeiter sind 20 bis 25 h/Woche für die Kraft-Wärme-Kopplungs (KWK)-Anlage verantwortlich. „Mit unserem klimapositiven Holzgaskraftwerk und der seit Februar 2022 in Betrieb genommenen 1 MW-Photovoltaikanlage decken wir 55 bis 65% unseres Strombedarfs sowie die Grundwärmelast ab oder versorgen unsere beiden Pufferspeicher“, informiert Baier. Wiehag betreibt damit neun Trockenkammern, die Produktionshallen sowie die Bürogebäude am Standort mit Strom und Wärme. Die Überschussenergie wird in das lokale Stromnetz eingespeist. Im Sommer wird das Heizwerk für sechs bis acht Wochen abgestellt und das Werk allein mit der Syncraft-Anlage im Volllastbetrieb mit Energie versorgt. „Unsere Anlagen sind auf Volllastbetrieb ausgelegt. Bei KWK-Anlagen, wo wir, wie im vorliegenden Fall, einen weiteren Heizkessel haben, übernimmt der Syncraft-Holzvergaser immer die dominante Rolle“, konstatiert Embacher.

Kohle mit Kohle

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5 m3 oder zwei Säcke pro Trag Pflanzenkohle produziert die Syncraft-Anlage. Mit insgesamt sieben Abfüllstationen kommt man gut über jedes Wochenende, Weihnachten oder Pfingsten, ohne das Material abtransportieren zu müssen © Philipp Matzku

Als zusätzliches, gewinnbringendes Nebenprodukt entsteht in dem sogenannten „Rückwärtskraftwerk“ neben Strom und Wärme auch Pflanzenkohle, die dem Gas in dem Schwebebettreaktor entnommen wird. Abfallstoffe, wie Teer, Asche oder andere Medien, fallen bei dem Prozess faktisch nicht an. Wiehag produziert mittlerweile Pflanzenkohle, die Futtermittelstandards erfüllt. Bis zu 5 m3 oder zwei Säcke werden täglich abgefüllt. „In 1 t Pflanzenkohle werden 3 t CO2 gespeichert. Dadurch ist eine klimapositive Anlagenführung möglich,“ informiert Baier und ergänzt schmunzelnd: „Wir machen mit der Kohle, Kohle.“