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Erlebnisbaum in Rotkreuz ist Anziehungspunkt und Schulungsobjekt © Wüthrich

Funpark im Wald

Ein Artikel von KG | 19.09.2005 - 00:00
Das Thema „Funpark im Wald?“ stand im Mittelpunkt der Tagung des Schweizer Forstvereins unter Vorsitz von Präsident Heinz Kasper am 25. und 26. August im Kanton Zug mit fast 200 Teilnehmern. Auf die Frage „Welchen Stellenwert hat die Freizeitnutzung des Waldes heute?“ suchte man mit Erfahrungen aus der Praxis und mit Versuchen der Bewertung nach Antworten. Recht eindeutig fielen sie nicht aus. Die Konflikte entstehen nicht nur zwischen Erholungssuchenden und Forstbetrieb, sondern zum Beispiel zwischen den Nutzergruppen Wanderer und Mountainbikern, Joggern und Hunden, Naturschützer und Auerwild. Nur einige dieser Beispiele erwähnte Univ.-Prof. Dr. Margit Mönnecke von der Hochschule für Technik in Rapperswil/CH, um die Vielfalt der Probleme zu skizzieren. Sie können nur durch geduldige Kommunikation gelöst werden, wobei Verbote und Gebote nicht in Frage gestellt werden sollten, sofern die Nachvollziehbarkeit der Argumente gegeben sei. Klar definierte Verantwortlichkeiten seien Voraussetzung. Sanktionspotenziale sollten nur im Hintergrund wirken.Funktionsänderung. Schon die Schutzfunktion habe sich drastisch gewandelt: Die Germanen schützte der Wald vor der Eroberung durch die Römer – heute gelte es, den Schutz vor Naturgefahren im Wald zu erhalten und zu verbessern.
Heute wandern nach Schweizer Erhebungen 58% der Bewohner im Sommer einmal pro Woche im Wald. 72% sind der Ansicht, dass der Staat die Freiheit der Erholung im Wald zu sichern habe. Gute Betretbarkeit, naturnahe Vielfalt, Spielen mit Naturmaterial auf Brach- oder Kahlflächen, Bachabschnitten und im Steinbruch bei sauberer Luft, Lärm- und Geruchfreiheit werden erwartet. Ungeklärt sei die Frage, wie man die nicht in Verbände organisierten Erholungssuchenden für Informationen erreichen könne.
Dr. Walter Ott aus Zürich/CH gab Hinweise auf den monetären Wert von Erholung im Schweizer Wald. Vielerorts habe sich der Wandel vom wirtschaftlichen Ertrag des Waldes zur Defizitquelle vollzogen. Damit investiere der Waldeigentümer in die Infrastruktur für Erholung und Sport, ohne dass dem ein Ertrag aus der Bewirtschaftung des Waldes gegenüberstehe. Während man beispielsweise in Finnland de facto den Wald nur betreten kann, wo ein Weg zu Siedlungen führt, ist der Wald in Mitteleuropa durchwegs ungehindert begehbar.
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Erlebnisbaum in Rotkreuz ist Anziehungspunkt und Schulungsobjekt © Wüthrich

Finanzierungsfrage. Wer finanziert die öffentlichen Leistungen der Waldeigentümer? Ott griff auf Befragungen von 2000 Bewohnern der Schweiz in den 1990er-Jahren zurück, die eine Zahlungsbereitschaft für Waldbesuche von 3 bis 7 CHF, also 85 bis 430 CHF/J und Person ergaben. Bei durchschnittlich 59 Waldbesuchen pro Jahr wurden 30 CHF an Zeit- und Reisekosten erhoben, woraus er 1778 CHF/J und Person errechnete. Generell wird der Erholungsnutzen auf 10 Mrd. CHF/J geschätzt. Grundsätzlich müsse man von einer Finanzierung durch Verursacher ausgehen. Ohne Bewirtschaftung durch die Eigentümer werde die Erholungsattraktivität der Wälder rasch abnehmen, schloss Ott.
Über ein stabiles Gleichgewicht zwischen Ansprüchen zur Erholung im Wald und der Holznutzung berichtete Christoph Fischer vom Stadtforstamt Aarau. Die Stadt ist zu 44% mit 520 ha bewaldet und hat bei einer Nutzung von 5000 fm/J und einem Erlös von 1,5 Mio. CHF im Wald ein Defizit von 10%, das die Stadt als Aufwand für die Erholung mit 5 CHF pro Einwohner und Jahr abdeckt. Befragungen der Bewohner ergaben, dass keine weiteren Erholungseinrichtungen gewünscht werden.Kommt Allmende? Nicht nur in Aarau wird der Gedanke diskutiert, das alte germanische Recht der Allmende, das heißt das gleichmäßige Nutzungsrecht für alle Einwohner, auch auf den Wald zu erweitern – dies selbstverständlich unter bisheriger Holznutzung und Beachtung der Waldentwicklungspläne.
Im Katastrophenfall, wie beim Orkan Lothar, wird im Aarauer Wald ein Räumungsplan plakatiert, der in der Dringlichkeit auch ein bis zwei Hauptwanderwege enthält. „Der Erholungswaldbesucher ist meist kein forstliches, sondern ein jagdliches Problem,“ meint Fischer.Zimmerleute gestalten Erlebnisbaum. Ein 32 m hoher begehbarer Turm aus Tannenholz umschließt eine 150-jährige Eiche im Sientalwald der Gemeinde Rotkreuz im Kanton Zug. Der örtliche Zimmermeister Paul Müller war Initiator dieser Idee. Zimmerer-Lehrlinge des 3. Lehrjahres aus 3 Kantonen planten und bauten in Zusammenarbeit mit der Berufsschule Goldau und wurden von ihren Lehrbetrieben 3 bis 4 Monate freigestellt. In gemeinsamer Begeisterung leisteten sie 1000 Lehrlingsstunden, ergänzt durch 350 Zimmererstunden, 345 Polierstunden und 90 Meisterstunden, 166 Autokranstunden, 4650 CHF für Transportkosten und 7690 CHF für Stahlteile und vollendeten 1999/2000 das Werk. Die Lehrlinge erhielten 15 CHF/h und spendeten die Samstag-Arbeit für das gemeinsame Werk. Zuger Waldbesitzer stellten 110 m³ Weißtannenholz bereit.
Die kinderfreundliche Treppe führt über neun Plattformen zu allen Informationen über Wald und Holz, von den Wurzeln bis zum Kronendach. Die Zimmermannskonstruktion steht auf vier 2 mal 2 m Betonfundamenten und berührt die Eiche nicht. Das Konstruktionsholz ist naturbelassen. Die jährlichen Unterhaltskosten belaufen sich auf 4000 bis 5000 CHF.
Zur 163. Jahresversammlung lädt der Schweizerische Forstverein für 31. August und 1. September 2006 nach Neuenburg/Neuchatel ein.