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Jagd-Referenten in Südtirol: Aukenthaler, Jenny, Wölfel, Hirschbichler, Schmiedhofer und Agreiter (v. li.) © DI Andreas Fischer

Rotwild-Bejagung

Ein Artikel von DI Andreas Agreiter | 07.11.2005 - 00:00
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Jagd-Referenten in Südtirol: Aukenthaler, Jenny, Wölfel, Hirschbichler, Schmiedhofer und Agreiter (v. li.) © DI Andreas Fischer

Steigende Rotwildbestände, Wildschäden und eine sich zunehmend schwieriger gestaltende Bejagbarkeit des Rotwildes bewogen den Südtiroler Forstverein am 7. Oktober eine Tagung zum Thema „Alternative Jagdmethoden” im Südtiroler Ahrntal zu veranstalten.Experten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz gaben hierzu in Weißenbach/IT einen Einblick in die praktizierten Jagdpraktiken der Nachbarländer. Der Präsident des Südtiroler Forstvereins, Dr. Josef Schmiedhofer, betonte, dass die Veranstaltung nicht beabsichtige, die im Großen und Ganzen bewährte, traditionelle Jagd in Südtirol über Bord zu werfen. Denkanstöße seien jedoch allemal erwünscht.

Aus der Sicht eines Rothirsches. „Im Südtiroler Jagdsystem seien gewisse Schwierigkeiten in der Bejagung des Rotwildes vorprogrammiert”, betonte Wildbiologe Prof. Dr. Helmuth Wölfel von der Uni Göttingen. Die lange Jagdzeit, in der das Rotwild andauernd einem starken Jagddruck unterliege, mache das Rotwild zunehmend zum Nachttier.
Eine Alternative sei eine jährlich organisierte, groß angelegte Bewegungsjagd auf 500 bis 700 ha Waldfläche. Diese werde mit Stöberhunden durchgeführt und ermögliche an einem Tag eine Entnahme von einem Viertel bis einem Drittel des sich auf der Fläche aufhaltenden, frei gegebenen Rotwildes. „Die Gefahr der bellenden Hunde sei für das Rotwild abschätzbar, es weicht besonnen aus und kann von den ausgewählten Ständen im Wald aus gut angesprochen und erlegt werden”, so der Verhaltensforscher.
Bereits nach kurzer Zeit sei das Rotwild wieder tagaktiv und zeige „natürliches” Verhalten. Um Waldschäden vermeiden zu können, müsse Rotwild auch tagsüber auf Freiflächen austreten können. Dass das Leittier nicht identifiziert und somit auch nicht geschont wird, wollte Wölfel nicht bestätigen. Einen möglichen Anstoß zu Kritik könne die Versorgung des erlegten Wildes geben, welche erst nach Ende der mehrstündigen Jagd erfolgen kann. Zur Fütterung von Rotwild bestehe südlich des Alpenhauptkammes keine Notwendigkeit. In den Nordstaulagen der Alpen gilt es zu entscheiden, ob man Rotwild mit Fütterung erhalten möchte oder gänzlich auf Rotwild verzichtet.

Fallbeispiel Bewegungsjagd. Erfolgreich umgesetzt wurde diese Jagdmethode bei den Österreichischen Bundesforsten (ÖBf) im Pinzgau. Nachdem großflächige Windwürfe 2002 eine Verschärfung der Wildschadenssituation und eine Verminderung der Bejagbarkeit des Rotwildes befürchten ließen, entschloss sich Forstmeister DI Johann Hirschbichler Bewegungsjagden zu organisieren. 2004 konnten im Rahmen eines einzigen jagdlichen Eingriffes 43 Stück Rotwild (16 Tiere, 15 Kälber, 6 Schmaltiere, 6 Spießer) und 11 Stück Rehwild (3 Geißen, 5 Kitze) erlegt werden. Auf einer Fläche von 900 ha waren rund 120 Schützen für etwa drei Stunden im Einsatz. Pro 100 ha wurden 3 bis 4 Hunde eingesetzt, die Hundeführer waren gleichzeitig Schützen. Dabei galt selbstverständlich die Regel „Kind vor Mutter”. Die Trefferquote betrug 1,6 Schuss pro erlegtem Stück. Die Schussentfernung überschritt selten 50 bis 80 m. Die Schützen hatten verpflichtend Beobachtungskarten auszufüllen, um Schlüsse für zukünftige Jagden ziehen zu können.Das Phänomen „Bündner Jagd”. Die Graubündner Patentjagd wurde von Hannes Jenny, Amt für Jagd und Fischerei aus der Schweiz, vorgestellt. Diese sei durch intensive jagdliche Planung, der im Frühjahr Scheinwerfertaxationen vorausgehen und forstliche Gutachten zu Grunde liegen, charakterisiert.
Die dreiwöchige Hochjagd im September und die Herbstjagd im November/Dezember garantieren durch kurze Jagdzeit einen im erträglichen Maße gehaltenen Jagddruck. Der Bündner Jäger verzichtet in der Hochjagd auf den Gebrauch von Motorfahrzeugen, hält sich mit den erlaubten großkalibrigen Geschoßen von mindestens 10,2 mm an Schussweiten unter 200 m, Repetierer sind nicht zugelassen. Gute Brunftgebiete sind als Wildschutzgebiete ohne Jagd ausgewiesen.

Wie jagt der Südtiroler Jäger? Heinrich Aukenthaler, Geschäftsführer des Südtiroler Jagdverbandes, hob hervor, dass der Südtiroler Jäger vom Rotwild geradezu „überrollt” worden sei. Obwohl Rotwild in Südtirol in sehr unterschiedlicher Dichte vorkommt, gehe die Abschusskurve steil nach oben. Hauptziel der Jagd sei, die Bestände in Grenzen zu halten, Schäden zu vermeiden und vor allem Kahlwild zu bejagen. Eine landwirtschaftsähnliche Haltung des Rotwildes, wie in manchen Nachbarländern praktiziert, dürfe es in Südtirol nicht geben.
Offen blieb auch bei dieser Tagung, welches Jagdmodell allen Interessen am besten entgegenkomme - und wird es wohl bis auf weiteres bleiben.