Anlässlich der jüngsten Sturmkatastrophen und deren Auswirkungen auf die Forstwirtschaft stellten sich Studenten der Richtung Umwelt- und Bioressourcenmanagement am 30. Jänner die Frage, wieviel Schutz zur Erhaltung natürlicher Prozesse in einer Kulturlandschaft möglich ist. In einem Seminar verglichen die Teilnehmer verschiedene Prozessschutzgebiete in Mitteleuropa und erkannten mögliche Reibepunkte etwa zwischen Forstgesetzen und Naturschutzempfehlungen beispielsweise bei der Borkenkäferbekämpfung. Dass Katastrophen in der Forstwirtschaft ein sehr aktuelles Thema sind, wurde den Diskutanten durch den Sturm Paula bewusst.
Aus eins mach hunderttausend
"Es gibt bei uns etwa 300 Borkenkäferarten, davon sind zwei die mit Abstand aggressivsten Forstschädlinge", erklärte Univ.-Prof. Axel Schopf, Institut für Forstentomologie, Forstpathologie und Forstschutz, Boku, die Bedeutung des Buchdruckers und des Kupferstechers. "Aus einem Weibchen können sich unter optimalen Bedingungen in einem Jahr 100.000 Nachkommen entwickeln." Daher müsse man nach einer Sturmkatastrophe schleunigst Brutholz aus dem Bestand bringen. Wenn die Massenvermehrung erst einmal eingesetzt hat, seien die Möglichkeiten für den Forstschutz nur mehr bescheiden."Ein Problem tritt auf, wenn eine Sturmkatastrophe ein Schutzgebiet heimsucht", erläuterte FD DI Franz Zaunbauer, Landesforstdirektor von Salzburg. Dort greife das Forstgesetz und der Borkenkäfer muss bekämpft werden. Werden die Maßnahmen zu intensiv durchgeführt, falle die Fläche nicht mehr unter die Kategorie Schutzgebiet. Daher suchte man etwa nach dem Sturm Uschi 2002 nach Kompromissen. Man schnitt etwa im Pinzgau die Rinde der geworfenen Bäume schräg an. Der Effekt war, dass die Rinde oben blieb, Borkenkäfer aber trotzdem abstarben. Weiters berichtete er von einem schwer zu lösenden Akzeptanzproblem der Jägerschaft mit Wildnisgebieten. Dort reguliere man den Wildstand auf ein natürliches niedrigeres Maß. Dadurch befürchte man zu Recht, dass ein Saugreflex entstehe und aus umliegenden Jagdgebieten (mit anthropogen hohen Stückzahlen) das Wild in die Schutzzonen wechselt.
Nicht nur aufgeräumter Wald ist gut
"Ich halte die Einstellung, dass nur ein aufgeräumter Wald ein guter Wald ist, für einen vollkommenen Blödsinn", formulierte es DI Gerald Steindlegger, Leiter des Waldprogrammes des WWF International. "Ich fordere ein klares Nein zu Aufarbeitung nach einem Windwurf in Schutzgebieten. Einen Specht interessiert es überhaupt nicht, ob ein Käferbaum aus Forstschutzgründen gefällt und entrindet wurde. Er benötigt eben stehendes Totholz." Der WWF-Experte empfahl das Geld für Fichten-Forstschutzmaßnahmen solle man besser für den Waldumbau einzusetzen, um für den Klimawandel resistentere Bestände zu schaffen.Der WWF habe weltweit 350 Waldgebiete untersucht und herausgefunden, dass nach der Wilderei und unerlaubter Landnahme bereits die Holzernte als größtes Gefährdungspotenzial für Wälder gilt.
Elefanten und zertrampelte Dörfer
"Im Nationalpark bayerischer Wald haben wir 35 Borkenkäferarten entdeckt", berichtete Dr. Heinrich Rall, Sachgebietsleiter für Forschung im Nationalpark über die Biodiversität in Bayern. "In den westlichen Industriestaaten muss man sich den Naturschutz leisten können. Wir können ansonsten nicht etwa den Bewohnern Afrikas empfehlen, die Elefanten in Ruhe zu lassen, wenn diese deren Dörfer zertrampeln."110 lfm Autobahn
"Unser Naturschutzbudget ist mit 0,4% des Landesbudgets läppisch", meint Dr. Gottfried Schindlbauer, Leiter der Naturschutzabteilung des Landes Oberösterreich. "Man könnte um diesen Betrag gerade mal 110 lfm Autobahn bauen." Kritisch merkte er an, dass in Nationalparks viel zu viel in Infrastruktur und Tourismus anstatt in Naturraum-Forschung investiert wird. Dies sei aber die eigentliche Aufgabe von Nationalparks. Weiters informierte er, dass man in Oberösterreich keine weiteren Schutzgebiete mehr ausweise. Vielmehr wolle man das Management der bestehenden forcieren. Früher wurde eine Gebietsausweisung eben nur verordnet.Da schaut s wild aus
Auf die Frage aus dem Publikum, wie der Tourismus auf den Prozessschutz reagiere, meinte MR DI Wolfgang Mattes, Abteilungsleiter für Nationalpark-Angelegenheiten im Umweltbundesamt, dass die Bedeutung der Bezeichnung Wildnis schlecht besetzt sei. "Wenn jemand in ein Büro kommt und meint, da schauts aber wild aus, meint er ja nichts Gutes." Ein mit Borkenkäfer befallener Bestand schaue nicht schön aus. Wichtig sei es, die Akzeptanz für Wildnisgebiete in der Bevölkerung zu erhöhen."Uninformierte und voreingenommene benachbarte Waldbesitzer von Prozessschutzgebieten unterstellen oft, dass die Borkenkäfer, welche im eigenen Bestand auftauchen, aus dem Schutzgebiet kommen", wusste DI Bernhard Schön, Naturschutzinstitut der oberösterreichischen Akademie für Umwelt und Natur. "Leider haben die Käfer kein Nationalparklogo umgehängt, um dies zu beweisen." Wichtig sei die Information der Bevölkerung, um eine Akzeptanz von Schutzgebieten zu erreichen.
Denn: "Je mehr sich die Menschen im Alltag von der Natur entfernen, desto mehr sehnen sie sich danach", meinte Zaunbauer.