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Verträgt Holz große Kälte?

Ein Artikel von Univ.-Prof. Dr. Rupert Wimmer | 29.02.2012 - 08:27
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Längere Kälteperioden sind im Winter nichts Ungewöhnliches, dennoch bescheren sie uns das eine oder andere Problem. Wenn –20° C herrschen, machen Autobatterien leicht schlapp, Mobiltelefone werden unbenützbar oder Dieselautos lassen sich nicht mehr starten. Die Gründe dafür sind mit den Gesetzen der Natur erklärbar. So entstehen im Falle des Diesels unter –20° C feine Paraffinkristalle. Ohne Zusatz von Frostschutzmitteln wird der Diesel zähflüssig und verstopft den Kraftstofffilter. Auch viele Kunststoffe sind kälteempfindlich und werden schon beim Gefrierpunkt hart, rissig und schlagempfindlich. Es stellt sich die Frage, wie Holz Kälte verträgt? Kann man Holz bei Kälte weniger zutrauen?
Die Antwort ist einfach und kompliziert zugleich. Zunächst muss klar sein, dass alle physikalischen und mechanischen Eigenschaften vom Feuchtigkeitsgehalt des Holzes abhängen. Wenn es um Holzeigenschaften bei verschiedenen Temperaturen geht, muss zuerst folgende wichtige Frage gestellt werden: Welche Feuchtigkeit hat das Holz bei einer bestimmten Temperatur?
Gerhard Felber vom Holztechnikum Kuchl hat in seiner Doktorarbeit den Zusammenhang zwischen Temperatur, Feuchtigkeit und mechanische Eigenschaften bei Fichtenholz untersucht. Während die mechanischen Eigenschaften, wie Biegefestigkeit oder Biegesteifigkeit, trockener Fichtenproben zwischen –20° C und 18° C mehr oder weniger gleich blieben, verhielt sich das feuchte Fichtenholz ganz anders: Feuchtes Holz zeigte im selben Temperaturbereich eine dramatische Verschlechterung bei den mechanischen Eigenschaften.
Was spielt sich bei Kälte im nassen Holz ab? Zunächst wird Wasser im Holz nicht bereits bei 0° C zu Eis, sondern erst bei –5° C bis –10° C. Diese Gefrierpunkt-Herabsetzung hängt mit gelösten Zuckern im Holz zusammen. In den ganz feinen Kapillaren wird das Wasser sogar erst bei –18° C zu Eis. Somit finden wir unter dem Gefrierpunkt im Holz gleichzeitig Eis, flüssiges Wasser und auch etwas Wasserdampf. Bei zunehmender Abkühlung wandert das in den feinen Kapillaren der Zellwände gebundene Wasser in die großen Hohlräume (Poren) der Zellen, um dort allmählich zu Eis zu werden. Treibende Kraft für diese Wanderbewegung sind die Potenzialunterschiede zwischen Eis und Zellwandwasser, die bei zunehmender Abkühlung größer werden. Mit Potenzialunterschied ist eine sich ändernde Energiedichte zu verstehen, welche diese Wanderbewegung des Wassers auslöst. Die Wanderbewegung bewirkt auch einen leichten Unterdruck in den Kapillaren und es kommt zum Phänomen der „Frostschwindung“. Sind schließlich alle großen Poren im Holz mit Eis ausgefüllt, ist ein Holz-Eis-Verbundwerkstoff entstanden.
Die unterschiedlichen Elastizitäten von Wasser und Eis haben dabei einen entscheidenden Einfluss auf das elastisch-mechanische Verhalten. Das Eis verleiht dem Holz eine gewisse Steifigkeit und Festigkeit. Schmilzt bei wärmeren Temperaturen das Eis wieder, dann gehen die mechanischen Eigenschaften rasch verloren. Die Festigkeiten liegen dann weit unter jenen des trockenen Holzes. Wenn verleimtes Holz ein ganzes Dach trägt, dann kann Kälte in Verbindung mit Feuchtigkeit noch zu einem weiteren Problem führen. Bei Brettschichtholz, das ja aus verleimten Holzlamellen besteht, kann sich bei Tauwasserbildung an den Leimfugen Feuchtigkeit ansammeln. Die Verwendung heute nicht mehr zulässiger, wasserempfindlicher Harnstoffharzleime führte dann zur Schwächung beziehungsweise sogar Auflösung der Leimverbindung. Die Schlussfolgerung lautet, dass bei Frost und der anschließenden Tauperiode das Wasser im Holz zum Risikofaktor wird. Welches Holz verträgt nun Kälte? Trockenes Holz verträgt viel Kälte und bleibt auch in lange andauernden Frostperioden stabil und zuverlässig.