Wer Prof. Bertil Burian länger zuhört, möchte sofort einen seiner Studenten einstellen. So lebendig schildert der Professor an der Hochschule Rottenburg die Kompetenzen der Nachwuchskräfte. Die reichen von der Rundholzübernahme im Wald bis hin zu Kommunikationsfähigkeiten – mitunter sogar auf Japanisch. Einziges Problem: Die ersten Absolventen kommen erst nächstes Jahr auf den Arbeitsmarkt. Denn Burian ist Lehrkraft an Deutschlands jüngster Hochschule für die Holzbranche im baden-württembergischen Rottenburg.
Initiative kam aus der Holzwirtschaft
2011 wurde der Bachelorstudiengang Holzwirtschaft ins Leben gerufen. Die Initiative kam aus der Industrie. Federführend dabei waren Dr. Josef Rettenmeier und Johannes Schwörer. Das erklärt den konsequenten Praxisbezug in der Lehre. Das Credo lautet: Hier werden Fach- und Führungskräfte für die Holzbranche ausgebildet, deren Stärken das prozesskettenorientierte Denken und Handeln sind. Jedes Jahr stehen 35 Studienplätze zur Verfügung, von denen rund ein Fünftel über den zweiten Bildungsweg rekrutiert wird. Das sind Schreiner- oder Holzbaumeister, die ihre Erfahrung in die studentische Gemeinschaft einbringen. Diese Vielfalt ist wichtig: „Was wir nicht wollen, sind 35 gleiche Absolventen“, so Burian.Vielfalt gibt es auch im Lehrplan, der die komplette Wertschöpfungskette – vom Baum bis zum Plusenergiehaus – abdeckt. Das ist einzigartig auf Fachhochschulniveau in Deutschland. Die Schwerpunkte im Studiengang liegen auf der Materialentwicklung und Fertigungstechnik (Prof. Dr. Marcus Müller), dem Holzbau (Prof. Ludger Dederich) und der internationale Holzwirtschaft/Betriebswirtschaft (Prof. Dr. Bertil Burian). Als Besonderheit bietet die Hochschule ihren Absolventen Zusatzqualifikationen, wie den Gebäude-Energieberater oder den TSZM-Maschinenkurs, an.
Neues Technikum bis Jahresende
Studierende der Hochschule Rottenburg erfahren, wie Schnittholz richtig sortiert wird © Forstliche Hochschule Rottenburg
Damit nicht genug: In Rottenburg zählt „Learning by Doing“. Während der Holzernte werden die angrenzenden Wälder durchstreift, um für die Rundholzübernahme zu üben. Bei ausgewählten Sägewerken lernen die angehenden Holzwirte Gatter-, Band- und Spanertechnologie kennen.
Jetzt kommt der Master
Wo die Absolventen nach ihrem Studium eine Anstellung finden, lässt sich noch nicht sagen. Große Jobsorgen braucht sich wohl keiner zu machen. Zudem qualifiziert der Rottenburger Bachelor für einen Master an renommierten Hochschulen (z.B. Hamburg, Göttingen, Kuchl etc.). Im Herbst wird das Studienangebot in Rottenburg um ein Masterstudium zum ressourceneffizienten Bauen ergänzt. In vier Semestern werden Kompetenzen in Architektur, Bauphysik, Tragwerksplanung und Statik, Holzbau und Ökonomie gelehrt. Da hier nur 16 Plätze zur Verfügung stehen, ist das Betreuungsverhältnis sogar noch besser. Beide Studiengänge (Bachelor und Master) können übrigens kostenfrei absolviert werden.
Das Bachelorstudium „Holzwirtschaft“ an der Forstlichen Hochschule Rottenburg dauert sieben Semester.
- Im 1. und 2. Semester erfolgt das sogenannte Grundstudium. Der Fokus liegt auf allgemeinen Kompetenzen von Botanik bis Volkswirtschaft. Als Schlüsselkompetenz muss eine Fremdsprache gewählt werden. Neben Englisch werden beispielsweise auch Portugiesisch oder Japanisch angeboten.Im 3. und 4. Semester beginnt das Hauptstudium mit fachspezifischeren Fächern (etwa Rundholzsortierung, Fertigungstechnik Säge- und Holzwerkstoffindustrie)Das 5. Halbjahr ist als Praxissemester vorgesehen. Die Studenten müssen mindestens 20 Wochen in der Holzbranche arbeiten.Das 6. und 7. Semester bereiten auf Führungsverantwortung vor, etwa mit Fächern wie Holzmarkt oder Unternehmensführung.Abschließend wird eine Bachelorarbeit angefertigt, die meist einen Aspekt aus dem Praxissemester wissenschaftlich aufbereitet.