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Podiumsdiskussion Laubrundholz-Verfügbarkeit: Moderator Ohnesorge, Dr. Heuer, Strohmeyer, Gebhardt, Pollmeier, Becker und Moderator Schmitt (v. li.) © Gerd Ebner

Deutschland/Österreich

Versorgung schon jetzt am Limit

Ein Artikel von Gerd Ebner | 25.01.2023 - 08:29

Alle Baumarten haben Probleme

„Alle Baumarten haben Probleme, die klimagetriebene Extremwitterung der Jahre 2018 bis 2020 zu bewältigen“, leitete Dr. Andreas Bolte, Leiter für Waldökosysteme Thünen-Institut Hamburg, seinen Vortrag ein. „Im Vorjahr war der schlechte Zustand der Kiefer auffällig. Die Schäden an Buche und Eiche sind ebenfalls weiter gestiegen.“

In Deutschland hat sich spätestens seit 2019 ein Schadregime etabliert, das primär auf Insektenschäden begründet ist. So waren 2020 75 % der Erntemenge zufällige Nutzungen, 2021 immerhin 61 %. „Die Jahre mit 20 % Schadholz kommen nicht wieder. Wir müssen uns auf 40 % Schadholz alleine aus biotischen Schäden einstellen. Allfällige Sturmschäden kommen noch hinzu“, sagte Bolte voraus.

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Das Nadelrundholz-Angebot wird sich in Deutschland bis 2050 halbieren, starke Abnahme ab 2030er-Jahren, Fichte –25 Mio. Efm, Kiefer –10 Mio. Efm: Das sind die Kernaussagen dieser Grafik von Dr. Bolte, Thünen-Institut © Bolte/Thünen-Institut

Bis zu 43 Mrd. € nötig für Waldumbau

Den Verlust der Waldfläche in Deutschland bezifferte Bolte schon jetzt mit 400.000 ha. (Zum Vergleich: Das ist ein Zehntel der Waldfläche Österreichs.) Um diese Fläche zu sanieren, und die restlichen Wälder umzubauen, wäre eine Umbaurate von 95.000 ha/J nötig. Derzeit sind es gerade einmal 22.000 ha/J. Die Kosten dafür belaufen sich auf bis zu 43 Mrd. € bis 2050. „Nur dann erhalten wir besser angepasste Wälder“, mahnte Bolte in seinem Vortrag.

Fichte halbiert sich

Ab 2050 würde Deutschland unter 50 Mio. m3/J ernten, davon 30 Mio. m3/J Schadholz (2021er-Ernte: 81 Mio. m3; mittlerer Einschlag 2010 bis 2014: 55 Mio. m3/J).

Im kommenden Jahrzehnt kommt schadholzbedingt noch relativ viel Nadelholz auf den Markt. „Dann erreicht man einen Kipppunkt, denn der Zuwachs kommt von immer weniger Fläche und Volumen“, analysiert Bolte, der einmal mehr eine äußerst brisante Aussage wiederholte: „Ab 2050 sinkt das Nadelholzaufkommen auf die Hälfte des heutigen Niveaus.“

„2050 ist näher, als wir denken“, mahnte Leonhard Nossol, Präsident Arbeitsgemeinschaft Rohholz. „Ein vermehrter Rundholzimport ist keine Alternative, da Fichte überall knapp ist. Wir müssen also mit Schadholz leben lernen“, verwies Nossol. „Bei ForstBW spricht man von zufälligen Nutzungen und nicht von Schadholz. Bewusst wird sonst davon ausgegangen, dass das Holz minderwertig ist“, mahnte Max Reger, Vorstandsvorsitzender ForstBW.

Fokus auf Fichtenernte wegen Kalamität

Eine Podiumsdiskussion war dem Thema Laubholzverfügbarkeit gewidmet. Symptomatisch für die Situation mag sein, was Matthias Becker, Wittgenstein-Berleburg´sche Rentkammer, in Berlin erklärte: „Wir sind massiv von der Fichtenkalamität betroffen. Entsprechend rückten zuletzt die Buchen- und Eichenernte in den Hintergrund. Mit Vollgas ins Laubholz geht auch schwer, weil es nicht genug Spezialforstunternehmer gibt.“

Dramatisch war auch das, was Volker Gebhardt, Vorstand Thüringen Forst, schilderte: „Bei uns geht es primär darum, den Thüringer Wald zu retten. Der Fichteneinschlag liegt im dritten Jahr in Folge beim Doppelten des Normaleinschlags.“ Unter dem Klimawandel leiden bei ihm alle Baumarten. Bei der Buche gibt es bereits „riesige Flächen abgestorbener Wälder, die wir kaum noch betreten können – weil es so gefährlich ist“.

Gebhardt weiter: „Die Laubholzhölzer könnten wir am besten als Brennholz lokal vermarkten. Trotzdem bemühen wir uns um die Versorgung unserer Industriekunden. Es war und ist aber schwer, sich dem Laubholz zu widmen, wenn wir für Buche 60 €/fm, für trockene Fichte aber 110 €/fm bekommen.“

Kurzarbeit wegen Rohstoffmangels

Aufgrund massiver Versorgungsprobleme musste Pollmeier Massivholz im Vorjahr „immer wieder Kurzarbeit“ anmelden. „Jetzt haben wir endlich hochmoderne Anlagen, um bezahlbare Produkte zu erzeugen – und dann können wir aus Rohstoffgründen nicht liefern“, beklagt am Podium Ralf Pollmeier. Sein Unternehmen stellte bereits das Marketing für die Baubuche ein, „weil wir Neukunden kaum noch bedienen können“.

30 % unter Schutz – aber wovon 30 %?

Dr. Eckhard Heuer bestätigte nochmals den Willen des deutschen Forstministeriums zur Umsetzung der EU-Biodiversitätsstrategie: „Die Unterschutzstellung von mindestens 30 % der Landfläche, ein Drittel davon, also mindestens 10 % sogar unter strengen Schutz. Es gibt seitens der EU allerdings Interpretationsspielräume, was das genau heißt“, ließ er zumindest eine kleine Hintertür geöffnet. Offen blieb allerdings auch, ob es wirklich um das gesamten Bundesgebiet geht oder „nur“ um Waldflächen. Trifft Ersteres zu, wären bei einem Bewaldungsgrad von 32 % in Deutschland im Extremfall fast 30 % der Waldfläche unter strengem Schutz beziehungsweise der gesamte restliche Wald „unter weniger Schutz“.

CO₂-Neutralität verlangt Holznutzung

„CO2-neutral können wir nur leben, wenn wir Holz auch nutzen“, formulierte es Pollmeier. „Jeder Festmeter ohne Nutzung erhöht den Druck auf die Industrie“.

Gebhardt geht davon aus, dass 40 % der deutschen Buchenwälder ohnehin schon unter Schutz stehen. Weitere Stilllegungen werden massiv zulasten der Buche gehen.

„Der Holzbau wird weiter an Bedeutung gewinnen. ,Holz wächst nach‘ – dieses Argument wird immer wichtiger“, argumentierte Johannes Schwörer. „Wir müssen aber noch härter an der Ressourceneffizienz arbeiten. Ob meterdickes Bauen mit Holz der richtige Weg ist, wird man prüfen müssen.“

Vermehrte Energieholznutzung und gleichzeitig Nutzungsbeschränkungen – das ist zu viel.


Ralf Pollmeier

Nutzfunktion ja, aber die Welt dreht sich weiter! Andere Waldfunktionen werden für die Gesellschaft bedeutender.


Dirk Alfter

Ressourceneffizienz wird immer wichtiger. Meterdicke Holzwände passen da kaum dazu.


Johannes Schwörer

Nur mit der Holzverwendung können wir künftig CO2-neutral leben.


Ralf Pollmeier

Ja, die Biodiversitätsstrategie verlangt 30 % der Landesfläche unter Schutz zu stellen, davon wiederum ein Drittel unter strengen Schutz.


Eckhard Heuer