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Rudolf Alteheld, Leiter des Geschäftsbereichs Forst der Landwirtschaftskammer Niedersachsen © Landwirtschaftskammer Niedersachsen

Landwirtschaftskammer Niedersachsen

Mit Pragmatismus Klimawandel meistern

Ein Artikel von Gerd Ebner | 06.12.2023 - 09:13

„Ja, der Klimawandel bringt speziell für uns enorme Herausforderungen. Wir haben zusätzlich zu den ca. 60.000 ha Kahlflächen in Niedersachsen noch etwa 150.000 ha Umbauflächen. Die erforderlichen 500 Millionen Forstpflanzen gibt es kurzfristig ebenso wenig wie die nötigen Forstfachkräfte“, erklärt Alteheld die Herausforderungen.

Aus 200 Mio. €-Käufer wurde Verkäufer

Über zehn Jahre war Alteheld als Beschaffungsmanager in der Holzindustrie, zuletzt bei einem der großen europäischen Holzwerkstoff-Hersteller mit einem Einkaufsvolumen von etwa 200 Mio. €/J, tätig. Als am 18. Januar 2018 der Sturm Friedericke in den Wäldern Niedersachsens 2,5 Mio. fm fällte, saß Alteheld auf einmal „auf der anderen Seite“ und musste mit dem Team der LWK Schadholz zur Vermarktung bereitstellen.

500 Millionen Forstpflanzen bekommen wir kurzfristig nicht. Wir müssen Naturverjüngung und Saat nutzen.


Rudolf Alteheld, Leiter des Geschäftsbereichs Forst der Landwirtschaftskammer Niedersachsen

Alle selben Erlös – Solidaritätsbündnisse

Dabei bildeten die Vermarktungsorganisationen regional mit den betroffenen Waldbesitzern Solidaritätsbündnisse: „Über längere Zeiträume erhielten alle dieselben Preise, unabhängig von Flächengröße oder Zeitpunkt der Aufarbeitung“.

Zu den Bündnispartnern zählt Alteheld neben den einzelnen Waldbesitzern und den Forstbetriebsgemeinschaften (FBG) „insbesondere aber auch die Kunden – Letzteren wurde kommuniziert: Wenn ihr uns jetzt helft, helfen wir euch in der Zukunft“.

Die Kiefer ist für Niedersachsen die wichtigste Nadelbaumart des kommenden Jahrhunderts – aber bitte in Mischung.


Rudolf Alteheld

Weniger Fichte, andere steigern Vorrat

„Jedes Jahr wachsen bei uns in Niedersachsen statistisch etwa 10 Mio. fm zu, trotz der Kalamitätsflächen. Das sind in den vergangenen fünf Jahren also rechnerisch über 50 Mio. fm. Die Fichte verliert an Vorrat, aber alle anderen Baumarten legen zu. „60.000 ha Kahlfläche sind natürlich viel, rechnerisch aber „nur“ 5 % der Landeswaldfläche. Die verlorenen Bestände waren vielfach Fichten-reinbestände. Nun setzen wir alles daran, stabilere Mischbestände zu gründen“, erklärt Alteheld. Hierzu benötigt gerade der Privatwald, aber auch die FBGen öffentliche Mittel.

Fichte nicht gleich Fichte

„Fichten auf trockeneren Standorten haben vielfach ein Wurzelsystem ausgebildet, das sie Trockenzeiten besser überstehen lässt. Unserer Erfahrung zufolge haben ,verwöhnte Fichten‘ an gut wasserversorgten Standorten am meisten gelitten“, so eine Beobachtung Altehelds.

Kiefer wird bedeutender

Die nächste Generation fast aller Baumarten wird den Klimawandel sicherlich besser aushalten. Alteheld meint, dass „die Kiefer eine sehr wichtige Baumart des nächsten Jahrhunderts in Niedersachsen sein wird – nicht in Reinbeständen, wie wir sie nördlich der A2 und der A30 vielerorts vorfinden, sondern in unterschiedlichen, standortangepassten Mischungen. Kiefern sind trocken- und hitzebeständiger als etwa Fichten. Gemeinsam mit Douglasie, Weißtanne und Lärche wird die Kiefer zukünftig einen großen Anteil des Marktvolumens an Nadelholz ausmachen. Immerhin bestanden vor der Kalamität etwa 80 bis 85 % unseres Marktvolumens aus Nadelholz. Die restlichen 15 bis 20 % bestanden aus Laubholz. Das können wir auch in der Zukunft weder völlig ignorieren noch schlagartig umkehren“.

Niedersachsen bekommt womöglich das Klima von Marseille – daher brauchen wir Baumarten, die heute dort wachsen.


Rudolf Alteheld

Wälder auflichten, dann Unterbau

Wälder auflichten, dann Unterbau – entsprechend dieser Grundrichtung beraten die rund 150 Forstfachkräfte der LWK. In der Regel beginnen sie, Vorbereitungshiebe auszuzeichnen, um die Kronen und Wurzeln zu stabilisieren. „Unsere Maßgabe hierbei ist: geringe Mengenentnahmen in relativ kurzen Intervallen, bis der Bestockungsgrad nur noch etwa 0,6 beträgt – dann beginnen wir mit einem gezielten Unterbau. Das bringt genug Licht, um statt der Brombeere etwa Douglasien oder je nach Standort auch Tannen und Buchen zu erhalten“, beschreibt es detailliert Alteheld. Seine Vorgaben für die Begründung neuer Bestände:

  • Naturverjüngung (im Zweifel auch Fichte),
  • bei Verfügbarkeit von Saatgut auch Saat
  • und entsprechende Ergänzungspflanzung

Nadelhölzer günstiger zu begründen

Gerade die Naturverjüngung und die Saat von Tanne, Kiefer, Lärche oder Douglasie werden von den Waldbesitzern ökologisch und ökonomisch gut angenommen. „Eine Eichenkultur kann inklusive Zaun schon bei der Gründung deutlich über 10.000 €/ha kosten. Das ist im Privatwald ohne forstliche Förderung nur schwer umsetzbar“, meint Alteheld. Für jede Maßnahme fehlen Arbeitskräfte. „Osteuropäische Facharbeiter“ fehlen seit Corona und dem Krieg in der Ukraine. Gleiches gilt auch für die Landwirtschaft (Spargelernte) in Deutschland, vielleicht kann man da noch mehr kooperieren.“ Niedersachsen hat überdies vielerorts Rahmenbedingungen für eine hochmechanisierte Pflanzung oder auch Pflege, beides wird zukünftig an Bedeutung gewinnen müssen.

Alteheld ist offen für standortangepasste, zukunftsfähige Baumarten. „Der niedersächsische Weg geht in die Richtung, dass nahezu alle deutschen und eine Vielzahl europäischer Baumarten zukünftig förderwürdig sein könnten“, so Alteheld. „Die Klimavorsagen sagen für Niedersachsen Verhältnisse voraus wie jetzt nördlich von Marseille. Die Holzkunden sollten sich schon heute Gedanken dazu machen, wie sie auch alternative Baumarten zukünftig nutzen können“, schließt Alteheld.

Niedersachsen

Waldfläche: 1,2 Mio. ha (nach Bayern und Baden-Württemberg Nummer 3 in Deutschland)

Privatwald: 706.823 ha

Holzvorrat: 339 Mio. Vfm

Laufender Zuwachs: 12,2 m³/ha/J 

Vorratsaufbau: 2,5 m³/ha/J