Forstbetrieb des Jahres 2025: Stadt Wien

Wald in Wien ist anders

Ein Artikel von Günther Jauck | 04.12.2024 - 10:19
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Innerhalb der Stadtgrenzen besitzt Wien 8700 ha Wald – Tendenz steigend  © Lois Lammerhuber/Photoagentur Lammerhuber

Wenn der Wind an einem heißen Sommertag durch Wien streift, kommt er in der Regel aus Westen. Mit im Gepäck hat er feuchte Luft, die selbst die Innenstadtbezirke um bis zu 6°C herunterkühlt. Verantwortlich dafür ist der Wienerwald vor den Toren der Stadt. „Damit haben wir die größte und effizienteste Klimaanlage überhaupt“, beschreibt Andreas Januskovecz eine der zahlreichen Aufgaben, die der Wald der Wiener erfüllt. Januskovecz ist Forstdirektor, Chef der MA 49, des Forst- und Landwirtschaftsbetriebs der Stadt Wien. Darüber hinaus ist der studierte Forstwirt Bereichsleiter für Klimaangelegenheiten der Bundeshauptstadt.

 

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32.900 ha der Wiener Wälder sind Quellenschutzgebiet in Niederösterreich und der Steiermark  © Forst- und Landwirtschaftsbetrieb der Stadt Wien (MA49)

Somit verantwortet Januskovecz den zweitgrößten Waldbesitz Österreichs, dessen Aufgaben sich nur schwer mit anderen Forstbetrieben vergleichen lassen. Von den rund 41.600 ha entfallen 32.900 ha auf Quellenschutzwälder im Rax-, Schneeberg- und Hochschwabgebiet, wobei der Fokus auf einer stabilen und resilienten Versorgung der Stadt mit Trinkwasser liegt. „Die Wiener wollen nicht um ihr sauberes Trinkwasser zittern müssen“, formuliert Januskovecz ein Betriebsziel, dem alle anderen untergeordnet sind.

Möglich wird das durch eine naturnahe und nachhaltige Bewirtschaftung zur Sicherung und zum Schutz der Wiener Quellen. In der Praxis resultierten daraus etwa ein Kahlschlagverbot, eine möglichst bodenschonende Bringung und ein verträglicher Wildstand, bei dem der größtenteils naturverjüngte Wald ungehindert wachsen kann.

Ehrlichen Dialog führen

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„Wir müssen die Bevölkerung abholen, in den Diskurs miteinbeziehen und ehrlich kommunizieren.“  Forstdirektor Andreas Januskovecz, Chef des Forst- und Landwirtschaftsbetriebes der Stadt Wien ist seit 1990 bei der MA49 in leitender Funktion tätig
© MA49/Christian Fürthner

Die richtigen Dinge fachlich korrekt zu machen, versteht Januskovecz aber nur als einen Teil seiner Aufgaben. „Wir müssen auch die Bevölkerung abholen und in den Diskurs miteinbeziehen. Würden wir nicht jedes Projekt proaktiv kommunizieren, könnten wir in Wien keinen einzigen Baum mehr umschneiden“, berichtet der Forstdirektor und fügt hinzu, dass das natürlich in einer Großstadt eine besondere Herausforderung sei, er sich aber wünsche, dass auch seine Kollegen am Land verstärkt mit der Bevölkerung in Austausch treten. Am wichtigsten ist dabei laut Januskovecz die Glaubwürdigkeit, die man auf keinen Fall aufs Spiel setzen darf: „Wir müssen ehrlich und offen kommunizieren. Wenn wir Halbwahrheiten und Notlügen verbreiten, wird das von der Bevölkerung erkannt und wir verlieren unseren Stand und unsere hohe Reputation.“

Ein gutes Beispiel dafür ist ein Waldbrand, der vor drei Jahren rund 100 ha Quellenschutzwald am Schneeberg vernichtete. „Wir mussten der Bevölkerung klarmachen, dass ein Waldbrand nicht per se eine Katastrophe für das Wasser bedeutet und das Feuer die Wasserqualität und -menge nicht negativ beeinflussen wird“, erzählt Januskovecz und ergänzt, dass man das betroffene Gebiet in der Folge behördlich sperren ließ und nun alles dafür tut, um möglichst rasch einen neuen Wald aufkommen zu lassen.

Wachsende Waldfläche

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Mit Projekten wie dem Wiener Wäldchen, das sind Miniwälder inmitten der Stadt, bringt die MA49 den Wald ganz nahe an die Menschen heran  © Forst- und Landwirtschaftsbetrieb der Stadt Wien (MA49)

8700 ha der Wiener Waldflächen befinden sich innerhalb der Stadtgrenzen – Tendenz steigend. „Seit den 1960er-Jahren ist der Wald innerhalb Wiens um rund 550 ha gewachsen. Das ist eine enorme Leistung, die auf unsere Vorväter ebenso zurückgeht wie auf eine gute Planung“, betont das oberste Forstorgan der Stadt. So besteht heute beispielsweise die Donauinsel – eine 21 km lange und bis zu 250 m breite künstliche Insel zwischen der Donau und Neuen Donau – in einem hohen Ausmaß aus Wald. Meist sind es landwirtschaftliche Flächen, die ebenfalls in die Zuständigkeit der MA49 fallen, auf denen neue Wälder angepflanzt werden.

Auch hier ist es Januskovecz und seinem Team wichtig, die Bevölkerung miteinzubeziehen. Jahr für Jahr sind Familien mit Kindern, aber auch alle anderen interessierten und engagierten Stadtbewohner eingeladen, sich aktiv an der Aufforstungsaktion „Wald der jungen Wiener*innen“ zu beteiligen und zur Entstehung eines neuen Waldes beizutragen. „Das schafft eine starke emotionale Bindung zum Wald und zu unserer Arbeit“, bekräftigt der Forstdirektor und nennt das „Wiener Wäldchen“ als weiteres erfolgreiches Projekt, auf das er besonders stolz ist.

Dabei handelt es sich um sehr dichte, biodiverse und schnell wachsende Miniwälder (ab 100 m2), die nach den Prinzipien der japanischen „Miyawaki-Methode“ nach und nach in jedem Bezirk entstehen sollen. So entstand beispielsweise vor drei Jahren mitten am Gaudenzdorfer Gürtel auf einem Grünstreifen zwischen den Fahrspuren der stark befahrenen Straße ein Wald aus Ulmen, Spitzahornen und weiteren Baumarten. „Damit können wir den Menschen zeigen, dass direkt vor ihren Augen Wald entsteht und wie schnell die Bäume in die Höhe schießen. Wald in unmittelbarer Umgebung weckt Emotionen, nimmt die Bevölkerung mit und macht auch noch Werbung für uns Försterinnen und Förster“, ist Januskovecz überzeugt.

So schmeckt der Wald

Um der Bevölkerung zu zeigen, was ihr Wald und ihre Landwirtschaft leisten, wurde auch das Projekt Wiener Gusto initiiert. Unter diesem Markennamen verkauft die MA49 in großen Supermarktketten Produkte aus der eigenen Landwirtschaft, aber auch selbst gejagtes und aufgearbeitetes Wildfleisch. „Das zeigt den Menschen der Stadt, dass wir Försterinnen und Förster wissen, wie man mit Wildtieren umgeht und was wir für Steuergeld leisten“, unterstreicht Januskovecz die Bedeutung solcher Projekte.

Eine weitere Maßnahme, mit der die MA49 ihre Kompetenz unterstreicht, ist das Wildtierservice. „Hier kann man Marder, Füchse, Wildschweine, aber auch exotische Tiere, die verletzt sind oder Menschen gefährden, melden, woraufhin wir eine Einsatztruppe losschicken, die das Problem löst“, erläutert der Forstdirektor und fügt eine Anekdote eines frei laufenden Servals, einer gepardenartigen Wildkatze, im 18. Wiener Gemeindebezirk hinzu: „Wir haben das wohl illegal gezüchtete und entlaufene Wildtier aufgespürt, mit einem Betäubungsgewehr professionell gefangen und zu einem Züchter nach Italien gebracht.“

Wald in Planung

Als besondere Errungenschaft ortet Januskovecz die Einbeziehung seines Betriebes in die Planungsprozesse der Stadt: „Dass die Forstpartie bei der Stadtplanung eine aktive Rolle spielt, ist keineswegs selbstverständlich. Hier kämpft mein Stellvertreter, Herbert Weidinger, für unsere Interessen.“ Als Beispiel nennt er das Stadtentwicklungsprojekt Rothneusiedl, wo frühestens 2030 die Bagger auffahren werden, man aber bereits jetzt Bäume für die künftigen Bewohner pflanzt.